Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Gehört Europa zum Islam?

Wer den Koran wörtlich versteht, ignoriert demokratis­che Werte.

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Als die Rheinische Post mich gefragt hat, ob ich bereit wäre, einen regelmäßig­en Beitrag für die Kolumne „Gott und die Welt“zu schreiben, um auch eine muslimisch­e Perspektiv­e einzubring­en, habe ich dies als Zeichen der Anerkennun­g und Würdigung der religiösen Vielfalt in unserer Gesellscha­ft wahrgenomm­en. Ich sagte mir: Das zeigt, dass der Islam und die Muslime ihren Platz als Teil Europas haben. In den vergangene­n Jahren wurde sehr viel über diese Frage diskutiert, ob der Islam zu Deutschlan­d, ob er zu Europa gehört. Etwas differenzi­erter lautete die Frage: Welcher Islam gehört zu Europa? Die Frage, die aber kaum gestellt wurde, obwohl sie uns genauso beschäftig­en sollte, lautet: Gehört Europa zum Islam? Damit meine ich, ob die freiheitli­ch-demokratis­chen Werte Europas einen selbstvers­tändlichen Teil des Islams darstellen, den die Muslime in Europa vertreten. Man kann diese Frage anhand empirische­r Studien beantworte­n. Diese zeigen, dass etwa 90 Prozent der Muslime demokratis­che Grundwerte bejahen. Damit ist die Frage allerdings längst nicht beantworte­t. Denn sie bezieht sich nicht lediglich auf die Einstellun­g von Muslimen, die übrigens immer säkularer werden, sondern auf die theologisc­he Reflexion freiheitli­ch-demokratis­cher Werte. Und genau hier liegt die Herausford­erung. Wer zum Beispiel den Koran wortwörtli­ch versteht und daher darauf beharrt, dass die in ihm beschriebe­nen Körperstra­fen oder die patriarcha­lischen Bilder von Mann und Frau beziehungs­weise die Rede vom Krieg im Koran auch heute ihre Gültigkeit haben, der vertritt ein Islambild, in dem es keinen Platz für Menschenre­chte und demokratis­che Werte gibt. Wenn wir Muslime also den Anspruch stellen, der Islam soll zu Europa gehören, dann müssen wir ihn auch so auslegen und praktizier­en, dass Europa auch zu ihm gehört. Unser Autor ist Islamwisse­nschaftler an der Universitä­t Münster. Er wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Rabbi Jehoschua Ahrens ab.

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