Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Bunten Blüten droht der Komposthaufen
Der Corona-Lockdown versperrt den Gärtnern in Straelen und Umgebung die letzten Absatzwege. Sie hoffen auf ein Ende der Beschränkungen mit Beginn des Februars. Sonst sieht es für viele Betriebe düster aus.
Die Gärtner in Straelen und Umgebung hoffen auf ein Ende des Corona-Lockdowns Ende Januar. Sonst sieht es für viele Betriebe düster aus.
AUWEL-HOLT Primeln, so weit das Auge reicht. Lila sind sie, rosa, gelb und oft mehrfarbig. „Ich habe rund 20 verschiedene Sorten, gefüllt und ungefüllt, gestielt und ungestielt“, erklärt Norbert Brüx und zeigt auf die Reihen voller Blumentöpfe. Allein in dem Gewächshaus, in dem er und einige seiner Kollegen der Gärtner-Ortsgruppe Auwel-Holt sich zum Pressegespräch eingefunden haben, stehen etwa 160.000 Primeln. Doch es gibt derzeit keine Chance, dafür Käufer zu finden. Der Corona-Lockdown versperrt den Gärtnern in Straelen und Umgebung die letzten Vertriebswege. „Der Absatz ist im Moment gleich Null“, beschreibt Norbert Brüx die Lage. Im September, als die Primeln getopft wurden, „sah die Welt noch ganz anders aus“, ergänzt sein Sohn Henrik.
Kaum besser ist die Lage in anderen Betrieben. Werner Janssen produziert ganzjährig Usambara-veilchen und liefert an Gartencenter deutschlandweit. Doch die sind, ebenso wie Baumärkte, für Privatkunden geschlossen. Damit fallen für Janssen 80 Prozent der Abnehmer aus.
Hans-Peter Maes kultiviert Blumenzwiebeln in Töpfen, zum Beispiel Krokusse, Iris, Hyazinthen, Narzissen und Tulpen. Auch ihm fehlen zurzeit Gartencenter und Baumärkte als Abnehmer. Immerhin: Die Discounter im Lebensmitteleinzelhandel ordern ihre normalen Kontingente. Das macht bei Maes ein Viertel des Warenbestandes aus.
Die Stiefmütterchen und Hornveilchen, die bei Nils Bons heranwachsen, wird er nicht los. „Absatz gleich Null“, meldet auch er. Wer noch keinen Liefervertrag mit Discountern habe, der komme auch jetzt nicht da rein.
Die Gewächshäuser zu schließen und die Arbeit ruhen zu lassen, ist für die Gartenbaubranche in der Corona-Krise keine Alternative. „Pflanzen sind lebende Ware, die gepflegt werden muss“, betont Maes. Deshalb könne man keine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Und die Kosten steigen sogar noch, weil die Pflanzen länger kultiviert werden müssen. Brüx etwa versucht das Wachstum seiner Primeln zu verzögern, indem er die Treibhäuser verdunkelt und möglichst kühl hält. Das bringt aber nur etwa zwei Wochen Zeitgewinn. „In der Hoffnung, dass der Lockdown mit Anfang Februar auch endet“, erklärt der Gärtner. Da die Primeln schnell aufblühen, sei das Zeitfenster für den Verkauf klein.
Ein weiteres allgemeines Problem der Branche: Es gibt einen Produktionsplan, nach dem sich das Wachstum der Blumen richtet. Brüx zum Beispiel muss etwa ab dem 25. Januar mit dem Topfen der Beet- und Balkonpflanzen beginnen, die dann im April und Mai verkauft werden. Der Platz dafür wäre in normalen Zeiten vorhanden, da die Primeln, die jetzt in Reih und Glied stehen, verkauft wären.
Bei Janssen stauen sich die Usambaraveilchen. Dabei bräuchte er die Fläche von einem Hektar dringend für die Jungpflanzen, die für 2021 schon geordert sind und nicht mehr storniert werden können. Eine Situation, in der sich auch viele seiner Kollegen befinden. „Es ist alles bezahlt“, sagt Maes. Und es gebe keine Chance, die Kosten zu minimieren. Die jetzt fehlenden Umsätze ließen sich auch nicht mehr aufholen, so Janssen. Vielen bunten Blüten droht der Komposthaufen. Denn selbst die Spenden an Senioreneinrichtungen sind laut Henrik Brüx nur sehr begrenzt möglich.
Die Branche bangt. „Der Strohhalm, an den wir uns klammern, ist die Hoffnung, dass der Lockdown ab dem 1. Februar gelockert wird“, meint Janssen. Die Gärtner verweisen auf die großen Verkaufsflächen in Gartencentern und Baumärkten, in denen sich Sicherheitsabstände und Hygienemaßnahmen leicht einhalten ließen. „Wir hoffen, dass wir dann verkaufen können, deshalb müssen wir jetzt weiter produzieren“, so Henrik Brüx. „Wir müssen unsere Ware bis Ostern verkauft kriegen, das ist die Hauptsaison für Zwiebelpflanzen“, betont Maes. Danach gebe es dafür keinen Markt mehr. Einen Lockdown bis Ende Januar könne man überstehen, ist sich die Runde einig. Sollte er länger dauern, fürchten viele Betriebe um ihre Existenz.
Hilfen von außen gibt es nicht. Eine Versicherung greife nur, wenn wirklich 100 Prozent aller Läden geschlossen seien, erklärt Norbert Brüx. Über eine finanzielle Unterstützung vom Bund liefen angeblich Gespräche. Doch darüber habe man ebenso wenig Informationen wie über Hilfen vom Land, vom Kreis und von der Stadt. „Dabei sind wir Gärtner doch das Aushängeschild für Straelen“, meint Henrik Brüx.
Der 23-Jährige ist gerade in den Betrieb seines Vaters eingestiegen. „Ich sehe dort immer noch meine Zukunft, ich stecke den Kopf nicht in den Sand“, sagt er. Doch dass man so machtlos sei und abhängig von anderen, das mache ihn traurig.