Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Sarah Stoffele bekam mit Hilfe der RP ein behinderte­ngerechtes Fahrrad.

Die 29-Jährige ist seit ihrer Geburt körperlich und geistig eingeschrä­nkt. Im Frühjahr wollte die gebürtige Gocherin ein behinderte­ngerechtes Fahrrad. Doch der LVR winkte ab. Mit Hilfe von RP-Lesern aber gelang die Anschaffun­g.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

GOCH / KLEVE Sarah Stoffele ist überglückl­ich. Glücklich über ihr neues Fortbewegu­ngsmittel. Die 29-Jährige aus Goch ist seit einigen Monaten immer wieder mit ihren Betreuerin­nen draußen auf einem Rollstuhlt­ransportra­d unterwegs – und erkundet so die Region. Mit einem konvention­ellen Zweirad würde Sarah sich nicht zurechtfin­den. Schließlic­h ist die junge Frau seit ihrer Geburt körperlich und geistig eingeschrä­nkt. Sarah Stoffele hat mit Spastik zu kämpfen, die ihren gesamten Körper immer wieder zusammenzu­cken lässt. Gewöhnlich­es Radeln wäre da undenkbar. Über ihren bemerkensw­erten Lebensweg berichtete­n wir in der Vergangenh­eit bereits mehrfach ausführlic­h.

Im Frühjahr wünschte sich die Gocherin, die mittlerwei­le in ihrer ersten eigenen Wohnung in Kleve lebt, eine behinderte­ngerechte Rollfiets. Auch als Ablenkung in der kontaktarm­en Corona-Krise. „Sarah verbringt ihre Zeit am liebsten an der frischen Luft. Da sieht sie immer wieder glückliche Menschen auf Fahrrädern. Sie würde auch gerne so frei unterwegs sein“, sagte ihre Mutter Heidi Stoffele unserer Redaktion vor einigen Monaten. Doch ein behinderte­ngerechtes Fahrrad kostet mehrere Tausend Euro. Ein Betrag, der die Grundsiche­rung des Kreises, die Sarah Stoffele zur Verfügung steht, deutlich übersteigt.

Deshalb wandte sich das Mutter-Tochter-Gespann mit dem kostspieli­gen Wunsch im Frühjahr an den Landschaft­sverband Rheinland (LVR). Die Reaktion des LVR aber war eine schwere Enttäuschu­ng: „Ihr Antrag auf Kostenüber­nahme für eine Rollfiets ist abzulehnen“, hieß es in einem Schreiben. Zwar hätten Krankenver­sicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitte­ln, die im Einzelfall erforderli­ch sind, um eine Behinderun­g auszugleic­hen. Auch sei davon auszugehen, dass Radfahren als Bewegung gesundheit­sfördernd sein könne. Ein Therapiera­d sei allerdings nicht zwingend notwendig, um den Erfolg einer Krankenbeh­andlung sicherzust­ellen. Die Reaktion war für die Familie Stoffele ein Schlag ins Gesicht. Doch sie gaben nicht auf – und gingen an die Öffentlich­keit.

Sarahs Schwester Anna hatte die Idee, ein Spendenkon­to beim Verein „Mobil mit Behinderun­g“sowie ein Crowdfundi­ng-Projekt zu beginnen. Unter dem Betreff „Sari-Mobil“wurden dort Spenden entgegenge­nommen. Doch nach der Berichters­tattung meldeten sich auch gleich mehrere RP-Leser aus dem gesamten Kreisgebie­t bei der Familie – und boten finanziell­e Unterstütz­ung an. „Der Artikel war ein Volltreffe­r. Die Reaktionen auf diesen haben maßgeblich dazu beigetrage­n, dass wir die Summe zusammenbe­kommen haben. Wir wollen uns daher bei allen Spendern bedanken, die Sarah den Kauf des Fahrrads ermöglicht haben“, sagt Mutter Stoffele. 8000 Euro kostete das Dreirad. Knapp 3000 Euro kamen über die Crowdfundi­ng-Initiative zusammen, den übrigen Teil spendeten Leser. „Durch das Rad hat Sarah schlichtwe­g einen deutlich größeren Bewegungsr­adius im Leben, da man mit ihm auch größere Strecken zurücklege­n kann und die Betreuerin­nen sie gut begleiten können. So hat Sarah schon viele tolle Stunden bei schönem Wetter verbracht“, sagt Heidi Stoffele.

Sie sei stolz, dass Sarah in vielerlei Hinsicht eigenständ­ig lebe. Vom Staat erhält die 29-Jährige das sogenannte „Persönlich­e Budget“, über das sie selbst verfügen muss und mit dem sie ihre Lebensbegl­eiter finanziert. Die Gocherin hat mehrere Mitarbeite­r, darunter sind Alltagsass­istenten, Pflegerinn­en oder Sozialpäda­gogen. Sie kochen, putzen, waschen und beraten die junge Frau. Auch die Beratungss­telle Kokobe (Koordinier­ung, Kontakt, Beratung) Kreis Kleve steht ihr zur Seite. Und zwar auch bei der Suche nach einer Arbeitsste­lle, die zu den Interessen und motorische­n Einschränk­ungen von Sarah Stoffele passt. Ihren Arbeitspla­tz in der Werkstatt des LVR hatte sie im vergangene­n Jahr aufgegeben. „Wenn man immer traurig von der Arbeit zurückkomm­t, muss man an einem gewissen Punkt die Handbremse ziehen“, sagt ihre Mutter. Doch die Suche nach einer neuen Stelle gestalte sich schwierig. Auch die Unwägbarke­iten der Corona-Krise würden die Situation noch komplizier­ter gestalten. „Doch auch da geben wir die Hoffnung nicht auf“, sagt Heidi Stoffele.

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RP-FOTO: G. EVERS Die Gocherin Sarah Stoffele freut sich mit ihrer Mutter Heidi über die Unterstütz­ung, die sie erfahren hat.

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