Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Risse im Haus nach Deichbau
Bei den Renners in Bienen lassen sich viele Risse im Haus finden, die nach dem Bau des Deiches entstanden sind. Um die Entschädigung gibt es Streit.
BIENEN Das Haus von Elke und Markus Renner an der Emmericher Landstraße in Bienen hat in seiner Geschichte bestimmt schon einiges erlebt. Wahrscheinlich wurde es um 1850 gebaut. Vermutlich von jenem Müller, der nur einen Steinwurf entfernt die Windmühle betrieb, deren Stumpf sich heute noch nahe der L7 in der Hueth’schen Kurve befindet. Es ist ein 360 Quadratmeter großes, schönes, altes Haus mit Hofcharakter – ganz typisch für den Niederrhein mit Backsteinen gebaut. Das Gebäude, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und im Anschluss wieder aufgebaut wurde, sollte den Renners als Altersvorsorge dienen. Im englischen Landhausstil wollten sie es innen ausbauen. Und hatten auch schon die ersten Zimmer in Angriff genommen. Doch seit über zwei Jahren ruhen die Arbeiten.
„Wir hatten gerade unser Wohnzimmer renoviert, als wir auf einmal frische Risse in den Wänden entdeckten“, schildert Elke Renner (50) den Grund. Doch bei den Schäden in dem einem Zimmer blieb es nicht. Fast in allen der 19 Räumen des Gebäudes inklusive Keller tauchten nach und nach Risse auf – nicht nur in den Wänden, sondern vor allem über den Fenstern, in Böden, Holzvertäfelungen und Decken – sogar in nachträglich eingezogenen aus Beton. Teilweise hat sich Laminat verschoben. Die Risse selbst sind manchmal nur haarfein, manchmal auch als fingerdicker Spalt zu erkennen. „Ich habe mittlerweile aufgehört zu zählen, wie viele es insgesamt sind“, so Markus Renner (51).
Dem Paar war relativ schnell klar, was die Ursache für die Schäden war. Denn direkt vor der Haustür wurde zwischen 2017 und 2019 der neue Deich zwischen Praest und Bienen gebaut. Zwischen dem Haus und dem Deich liegt zwar die vielbefahrene L7 (früher B8), doch direkt gegenüber befand sich die Baustellenzufahrt. „Da ist während der Bauphase natürlich einiges an schwerem Gerät und Lkw-Verkehr durchgefahren“, erinnert sich Markus Renner.
Dass der Deichbau die Schäden an dem Haus verursacht hat, haben die Renners schriftlich. Denn der zuständige Deichverband Bislich-Landesgrenze hatte vor Beginn der Arbeiten ein Gutachten über den Ist-Zustand aller an den Deichbau angrenzenden Gebäude durch einen vom Landgericht bestellten Gutachter in Auftrag geben lassen. Ein bei solchen Projekten übliches Verfahren, um unberechtigte Regressansprüche ausschließen zu können. Der Gutachter hatte vor Beginn der Arbeiten auch das Haus der Renners überprüft und eine umfangreiches Expertise über die vorhandenen Schäden vor Baubeginn erstellt.
Auch zu den Schäden, die in der Zwischenzeit dazu gekommen sind, gibt es ein solches Gutachten. Doch bis es soweit war, verging für die Renners eine quälend lange Zeit. „Wir hatten bereits im Juli 2018 mit dem Deichverband erstmals Kontakt aufgenommen“, sagt Elke Renner, die sämtliche Telefonate und E-Mails schriftlich festgehalten hat. Es sollte noch über ein Jahr dauern, bis es zu einem Folgegutachten kam. Und auch das, so sagen die Renners, sei nur durch Druck zustande gekommen, weil sie einen Anwalt eingeschaltet hatten. „Das wollten wir ursprünglich gar nicht, aber unsere Anfragen an den Deichverband blieben immer unbeantwortet. Da platzt einem irgendwann der Kragen“, so Elke Renner.
Weil das Folgegutachten unvollständig war, musste ein weiteres angefertigt werden. Auch da gingen wieder einige Monate und viele Telefonate ins Land.
Auf Basis dieses Gutachtens könnte seit Sommer letzten Jahres eigentlich eine Einigung erfolgen. Doch die ist noch nicht in Sicht. Zum einen, weil der Deichverband immer wieder um Fristverlängerungen bat, zum anderen, weil die Renners mit der ihnen in Aussicht gestellten Lösung nicht einverstanden sind. „Wir haben eine Pauschallösung angeboten bekommen, mit der alle weiteren Forderungen ausgeschlossen werden sollen“, erklärt Elke Renner, die noch viele Fragezeichen sieht. Denn die im Gutachten angegebenen Preise und Materialkosten sind alle nur geschätzt. Sie seien zu gering und mittlerweile auch veraltet, erklärt sie.
Und: Ob sich noch weitere Schäden unter Vertäfelungen oder Holzdecken und -böden befinden, sei von dem Gutachter nicht untersucht worden. „Das hätten wir alles auf Verdacht rausreißen sollen, damit nachgeschaut werden kann“, sagt Markus Renner, dem zudem eine Sorge ganz besonders umtreibt: „Die Komplettsanierung der festgestellten Schäden würde zwei bis drei Monate dauern. Wir sind beide berufstätig. So lange können wir keinen Urlaub nehmen. Da müsste eigentlich eine Bauleitung her, die aber von der Summe des Pauschalangebotes nicht abgedeckt wird. Außerdem stellt sich die Frage, wie wir während der Sanierung wohnen sollen. Ziehen wir dann von Raum zu Raum oder nehmen wir uns eine Ferienwohnung? Auch das ist in dem Vorschlag nicht berücksichtigt.“Der sei nur auf Wirtschaftlichkeit ausgelegt.
Am liebsten wäre es den Renners daher, wenn sie selbst die Sanierung in die Hand nehmen könnten. Stück für Stück unter eigener Regie. Doch dann, so befürchten sie, müssten sie um jede einzelne Rechnung streiten, was bei einer Pauschallösung vermeidbar wäre.
Vom Deichverband fühlen sie sich alleine gelassen. „Wir haben mehrfach unsere Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung signalisiert und um ein persönliches Gespräch gebeten, aber bislang immer ohne Antwort. Nur auf die Schreiben des Anwalts wurde reagiert. Das kommt mir wie eine Verzögerungstaktik vor, mit der man mürbe gemacht werden soll“, ärgert sich Elke Renner.
Dass die Baustelle vor der Haustüre sie einmal so viel Nerven kosten sollte, hätten die beiden nicht gedacht. „Wir sind froh, dass wir eine Rechtsschutzversicherung haben, um unsere Ansprüche geltend zu machen“, sagt Markus Renner.