Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Impfzentren in NRW müssen später öffnen
Dem Land fehlen wegen Lieferproblemen 100.000 Biontech-Dosen. Es stoppt die Immunisierung in Altenheimen und Kliniken. Auch die Termine für zu Hause lebende Senioren verzögern sich. Städte und Kliniken kritisieren den Minister.
DÜSSELDORF Schwerer Rückschlag für die Impfkampagne in Nordrhein-Westfalen: Wegen Lieferproblemen des Herstellers Biontech erhalte das Land 100.000 Impfdosen weniger als ursprünglich geplant, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die Folgen sind gravierend: Das Land stoppt die Impfungen in Altenheimen und Krankenhäusern. „In der kommenden Woche finden keine neuen Erstimpfungen statt“, so der Sprecher. Erst ab 1. Februar gebe es in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen wieder neue Erstimpfungen.
Auch der Start der Impfzentren verzögert sich: „Die Betriebsaufnahme der Impfzentren und die Erstimpfungen für die über 80-Jährigen starten ab dem 8. Februar – eine Woche später als vorgesehen“, räumte Laumanns Sprecher ein. In NRW gibt es 53 Impfzentren, die seit Dezember einsatzbereit sind.
Die Terminvergabe für die über 80-Jährigen soll trotz der neuen Verzögerung wie geplant an diesem Montag starten. Dann können sich die Senioren online oder per Telefon anmelden. Doch sie werden nun noch länger auf einen Termin warten müssen. Bis diese Gruppe vollständig geimpft ist, kann es ohnehin April werden. Wann die zweite Risikogruppe der über 70-Jährigen an der Reihe ist, ist noch völlig offen.
Biontech und sein Partner Pfizer hatten Freitag angekündigt, dass es wegen des Umbaus eines Werks im belgischen Puurs für drei bis vier Wochen zu Lieferverzögerungen kommt. Das Werk soll so aufgerüstet werden, dass die Kapazität 2021 auf zwei Milliarden Dosen steigt. Aus Puurs werden alle Länder außer den USA beliefert. Bis Ende März soll der Rückstand aufgeholt sein.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits am Vortag eingeräumt, dass Deutschland im Sommer auf Astrazeneca als ersten Lieferanten gesetzt und bei Biontech erst später bestellt habe.
Großbritannien habe schneller zu Vertragsabschlüssen kommen können, weil es auf Haftungsansprüche gegenüber den Herstellern verzichtet habe, heißt es in einem Schreiben aus Spahns Ministerium. Astrazeneca hat noch keine EU-Zulassung.
Der Stopp löste landesweit Kritik aus, zumal die Impfung in den Kliniken erst am Montag begonnen hatte. 100.000 Mitarbeiter in NRW-Krankenhäusern sollten eigentlich geimpft werden; bislang wurden erst 47.000 Dosen an die Kliniken ausgeliefert. „Eine große Mehrheit unserer Beschäftigten auf den Intensiv- und Isolierstationen und in den Notaufnahmen hat diese Woche herbeigesehnt, weil die Impfung die stärkste Waffe gegen dieses tückische Virus ist“, sagte der Chef der Krankenhausgesellschaft NRW, Jochen Brink. Die Unterbrechung könne die Impfbereitschaft gefährden. Allein in Mönchengladbach müssen 16 Einsätze der mobilen Impfteams in Altenheimen und Kliniken abgesagt werden. „Wenn feste Zusagen mit einem Federstrich nichtig gemacht werden, erschüttert die Regierung jedes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates“, sagte Gladbachs Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD). Ähnlich äußerte sich die Landes-SPD. „Wir bedauern die Verzögerung. Der limitierende Faktor sind die Impfstoffmengen und nicht das nötige Personal“, sagte Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Auch die Wirtschaft ist erzürnt. „Die Impfkampagne ist nicht gut organisiert. Die Bundesregierung hat zu spät nachbestellt, als klar wurde, dass Biontech die erste Zulassung erhält“, sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft. „Die Länder haben die Impfzentren nicht gut organisiert. Dabei sind schnelle Impfungen die beste Pandemie-Bekämpfung und die beste Wirtschaftspolitik“, so Hüther mit Blick auf den Lockdown.
Am Dienstagabend hatten Kanzlerin und Ministerpräsidenten beschlossen, dass Kitas und Schulen sowie Gastronomie, Friseure und große Teile des Handels bundesweit bis zum 14. Februar geschlossen bleiben. Super- und Drogeriemärkte bleiben geöffnet. Die Maskenpflicht wird verschärft, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften müssen FFP2-Masken oder OP-Masken getragen werden.