Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Helferinnen im Hintergrund
In mehr als 10.000 Kitas in NRW gelten reduzierte Betreuungszeiten – doch nicht für Tagesmütter und Tagesväter.
KÖLN Wenn volles Haus ist in der Kölner Großtagespflege Ukkepuk, sind neun Kinder da. Das jüngste ist 15 Monate, das älteste zweieinhalb Jahre alt. In diesen Tagen kommen zwischendurch oft noch die Kinder von Silke Engelskirchen rein. Immer dann, wenn eines nicht weiterkommt mit seinen Homeschooling-Aufgaben. „Mein jüngster Sohn ist elf und zum Glück schon sehr selbstständig“, sagt die 46-Jährige. Drei ihrer vier Kinder gehen noch zur Schule. Sie leitet die Tagespflege zusammen mit einem Kollegen. Auch er hat vier schulpflichtige Kinder, seine Frau arbeitet in einem Pflegeberuf. „Das Ganze bringt sehr viel Organisation mit sich“, sagt Engelskirchen.
NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) bezeichnete Erzieher sowie Tagesmütter und -väter in einem Elternbrief Anfang Januar als „Heldinnen und Helden dieser Pandemie, die sich mit großem Engagement liebevoll um unsere Jüngsten kümmern“. Doch die Tageseltern fühlen sich alleingelassen und wünschen sich mehr als freundliche Worte. Während in mehr als 10.000 Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen seit Montag reduzierte Betreuungszeiten gelten, müssen Tagesmütter- und Väter ganz normal weiterarbeiten. Die Reduzierung um zehn Stunden in Kitas war vom Familienministerium damit begründet worden, dass dort auf diese Weise feste Gruppen organisiert werden könnten. In der Tagespflege würden Kinder aber ohnehin in kleinen und festen Gruppen betreut. Die Regelungen gelten zunächst bis zum 31. Januar. Zwar appellierte die Landesregierung an alle Eltern, ihre Kinder – wenn immer möglich – zu Hause zu betreuen, versprach aber gleichzeitig: „Wenn Eltern Hilfe und eine Betreuung brauchen, bekommen sie diese.“
Eine Tagesmutter aus dem RheinKreis Neuss sagt: „Eine klare Ansage statt eines Appells wäre mir lieber gewesen.“Was nicht klar geregelt sei, führe nur zu Diskussionen mit den Eltern. „Ich betreue das Kind einer Krankenschwester, die alles getan hat, um es nicht jeden Tag zu mir bringen zu müssen, und dann gibt es Eltern, die ihre Kinder in Vollzeit bringen, obwohl ein Elternteil gar nicht arbeiten muss“, sagt die 33-Jährige. Sie betreut drei Kinder, ihre eigenen beiden Söhne besuchen die Grundschule. „Meine
Söhne sind in der Notbetreuung, weil ich es zeitlich nicht schaffe, sie zu Hause zu unterrichten.“In der Schule würden gerade verschiedene Klassen gemeinsam unterrichtet. „Das verstehe ich nicht“, sagt die Tagesmutter. „Soll man nicht genau das eigentlich vermeiden?“
Auch ein Tagesvater aus Leverkusen sagt: „Der Appell an die Eltern zieht überhaupt nicht. Wer die Chance hat, das Kind zu bringen, macht das auch.“Er betreut fünf Kinder. Die Unterscheidung zwischen Kindertagesstätten und Tagespflege bei der Stundenreduzierung kann er nicht nachvollziehen: „Meine Kollegen und ich fühlen uns da wenig unterstützt.“
Die Kölnerin Silke Engelskirchen fand die Maßnahmen im ersten Lockdown deutlicher: „Da war einfach klar: Wer systemrelevant ist und eine Unterschrift vom Arbeitgeber bringt, hat Anspruch auf Notbetreuung.“Sie arbeitet wie fast alle Tagespflegepersonen selbstständig und wird von der Kommune bezahlt. „Mehr Krankentage nützen mir also auch nichts“, sagt sie. Als Tagesmutter bekommt sie auch keinen Corona-Bonus – aber Erzieher mit Tarifvertrag im öffentlichen Dienst bekommen ihn. „Ich habe das Gefühl, dass in der Corona-Pandemie die Unterschiede zwischen Tagespflegepersonen und Erzieherinnen und Erziehern wieder größer werden“, sagt sie.
Während das Gebot der Stunde die Kontaktreduzierung ist, kommen die Betreiber von Tagespflegen
jeden Tag mit Eltern und vor allem mit Kindern in engen Kontakt. „Was der Beruf nun mal mit sich bringt“, sagt die Tagesmutter aus dem Rhein-Kreis Neuss. „Aber warum werden wir schlechter behandelt als die Kollegen in Kitas und Kindergärten?“In der Kölner Tagespflege Ukkepuk musste ein Kind vor Kurzem in Quarantäne, weil sein Vater positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Alle Tagespflegen sind angehalten, Spielzeug regelmäßig zu desinfizieren, Bettwäsche und Handtücher jetzt täglich zu waschen, nicht nur einmal pro Woche. „Durch reduzierte Betreuungszeiten hätte ich dafür vielleicht tagsüber Zeit“, sagt Silke Engelskirchen: „Jetzt mache ich die Wäsche halt abends.“