Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Polizist: „Das ging nur mit brachialer Gewalt“
KLEVE Mehr als 20 Zeugen hatte das Klever Landgericht geladen, um die Anklagevorwürfe gegen einen 37-jährigen Klever aufzuarbeiten. Der Mann soll psychisch krank sein und im Zustand verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit Taten in Serie begangen haben. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Zum Prozessauftakt hatten unter anderem fünf junge Frauen ausgesagt, die von dem Angeklagten sexuell belästigt worden sein sollen.
Zahlreiche Zeugen, die mit dem in Polen geborenen und in Kleve aufgewachsenen Mann Bekanntschaft gemacht hatten, standen auch am Donnerstag auf der Liste – darunter Polizisten der Klever Wache, die den Angeklagten an einem warmen Junitag im Jahr 2019 gleich zweimal aufgegriffen hatten. Zuerst an der Herzogbrücke in Kleve, wo sie dem augenscheinlich alkoholisierten Mann einen Platzverweis erteilten. „Ich glaube nicht, dass wir den los sind“, sagte einer der Polizisten danach zu seiner Kollegin.
Der heute 50-jährige Beamte sollte recht behalten: Wenig später – gegen 18 Uhr – traf er wieder auf den Angeklagten. Er fuhr zum Elsabrunnen. Einsatzmeldung: Mann schreit Passanten an. Dort saß der Angeklagte auf einer Bank, trank Kräuterlikör aus einer Flasche. Gemeinsam mit seinem Dienstgruppenleiter forderte der Zeuge den Angeklagten auf, zu gehen. Doch diesmal leistete der Mann nicht Folge. Er wolle hier ja nur saufen, habe der Angeklagte gesagt. Als die Polizisten einen Platzverweis durchsetzen wollten, wehrte sich der Angeklagte. „Er hat Bärenkräfte aufgebracht. Wir bekamen ihn nur mit erheblichem Kraftaufwand bewältigt“, so der Zeuge. Mehrfach habe er mit der Faust zuschlagen müssen, sagte der Polizist. „Wir haben da richtig gekämpft.“Die üblichen Polizeigriffe hätten nicht geholfen, so der Beamte – „das ging nur mit brachialer Gewalt.“Die Polizisten legten den Angeklagten schließlich in Handfesseln und schafften ihn ins Einsatzfahrzeug. Und während der Dienstgruppenleiter den Kastenwagen mit Blaulicht und Martinshorn zur Kleve
Wache steuerte, rang der Kollege im hinteren Bereich des Wagens weiter mit dem Festgenommenen.
Der Angeklagte schildert den Vorfall am Elsabrunnen anders: „Ich saß da ganz ruhig und habe meinen Kräuterlikör getrunken. Als die Polizisten wollten, dass ich gehe, habe ich mich anfangs leicht geweigert. Und dann haben sie direkt auf mich eingeschlagen und mich auf den Boden geschmissen“, so der 37-jährige. „Dabei habe ich nur friedlich meinen Geburtstag verbracht.“
Bei der Kleve Polizei ist der Angeklagte kein Unbekannter. Genauer gesagt: Er ist ziemlich bekannt. Ein 30-jähriger Polizist sagte am Donnerstag ebenfalls als Zeuge aus – er war wegen einer Körperverletzung gerufen wurden. Am Tatort angetroffen, war vom mutmaßlichen Täter keine Spur mehr. Aber die Beschreibung der Zeugen ließ den Beamten schnell auf den polizeibekannten Angeklagten schließen. „Wenn sie rumfragen in der Klever Polizeiwache – da kennt ihn jeder“, so der Polizist.
Der Prozess wird am 27. Januar fortgesetzt. Die Kammer wird dann – auch auf Basis eines psychiatrischen Gutachtens – darüber entscheiden, inwiefern der Angeklagte in Anbetracht seiner psychischen Erkrankung überhaupt schuldfähig gewesen ist. Auch steht die Unterbringung des 37-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt im Raum.