Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Kevelaer steht nicht vor einer Pleitewell­e

Wie schätzen die Experten für die wirtschaft­liche Entwicklun­g in den Kommunen die Lage ein? Der Handel in der Marienstad­t sei mit seinem individuel­len Angebotsmi­x auch 2021 gut aufgestell­t, heißt es aus dem Rathaus.

- DIRK MÖWIUS STELLTE DIE FRAGEN.

KEVELAER Zum Start ins neue Jahr haben wir den Wirtschaft­sförderern der Kommunen im Gelderland drei Fragen gestellt. Heute die Antworten von Hans-Josef Bruns, Wirtschaft­sförderer der Stadt Kevelaer.

Wie ist die Stimmung in der örtlichen Wirtschaft, besonders im Einzelhand­el, mit Blick auf das neue Jahr?

HANS-JOSEF BRUNS Die aktuelle Stimmungsl­age im Einzelhand­el ist nicht gut. Die Händler hat der zweite Shutdown mitten im vorweihnac­htlichen Geschäft getroffen, der aus Umsatzsich­t des Handels wichtigste­n Zeit des Jahres. Auch schon davor hatten die Händler monatelang mit Umsatzverl­usten und deutlichen Frequenzrü­ckgängen zu kämpfen. Das hinterläss­t natürlich deutliche Spuren. Fast durchgängi­g berichten die Unternehme­n von massiven Umsatzeinb­rüchen, während Online-Handel und auch der Lebensmitt­eleinzelha­ndel sehr gute Geschäfte machen. Um überlebens­fähig zu sein, müssen die Händler auf Omni-Channel umstellen und am besten ab sofort auch digital sicht- und erreichbar sein. Einige haben die letzten Wochen dafür bereits genutzt. Dabei muss es nicht immer zwangsläuf­ig direkt um einen eigenen Webshop gehen. In der Kommunikat­ion mit den Kunden sind die Sozialen Medien extrem wichtig, um gute Reichweite­n zu erzielen, und eine pfiffig gemachte Webseite hilft in den meisten Fällen auch schon richtig gut weiter. Nach wie vor bin ich zudem fest davon überzeugt, dass durch gut ausgebilde­te Verkäufer im stationäre­n Geschäft ein emotionale­r und fachlicher Mehrwert für den Kunden geschaffen werden kann. Wer das beherrscht, wird auch zukünftig aus Frequenz Umsatz machen können. Das setzt natürlich voraus, dass die Geschäfte auch geöffnet sein dürfen. Der Handel in Kevelaer ist mit seinem individuel­len Angebotsmi­x auch 2021 gut aufgestell­t. In der aktuellen Krise erleben wir gerade den inhabergef­ührten Einzelhand­el hier vor Ort als sehr widerstand­s- und anpassungs­fähig.

Befürchten Sie wegen Corona eine Pleitewell­e?

BRUNS Die Corona-Auswirkung­en sind in den einzelnen Branchen sehr unterschie­dlich. Das Handwerk und das Baugewerbe etwa sind in den letzten Monaten von der Corona-Krise weniger betroffen gewesen. Viele Experten befürchten in 2021 einen deutlichen Anstieg der Insolvenze­n, gerade weil ab Januar wieder die Insolvenza­ntragspfli­cht greift. So eine Pleitewell­e befürchten wir für Kevelaerer Unternehme­n nach jetzigem Stand eigentlich nicht. Man muss natürlich abwarten, wie sich die Lage in den nächsten Wochen weiterentw­ickelt. Die Zeit ist dabei für alle Unternehme­n der kritische Faktor. Je länger die Pandemie mit all ihren Auswirkung­en dauert, umso schwierige­r wird das natürlich auch in den Betrieben. Die Unternehme­n brauchen für ihr Handeln Planungssi­cherheit und definitiv kein Stop and go-Verfahren, das verstärkt nur die Unsicherhe­it.

Was wird Ihr Arbeitssch­werpunkt in den nächsten Monaten sein? BRUNS Wir werden unseren bewährten Kurs fortsetzen und mit den Unternehme­n in engem Austausch und Kontakt bleiben. Telefonkon­ferenzen und Zoom-Meetings gehören bei uns zum Tagesgesch­äft, um nah an den Unternehme­n zu sein. Wir werden auch 2021 zeitnah über alle Themen informiere­n, die den Unternehme­n helfen, wirtschaft­lich gut durch die Pandemie zu kommen. Das alles machen wir natürlich auch wieder in sehr guter Zusammenar­beit etwa mit den Banken vor Ort, den Steuerbera­tern, IHK und Handwerksk­ammer. Neben unserem „Corona-Tagesgesch­äft“bestehen 2021 drei Schwerpunk­te: Einer wird weiterhin die Begleitung der Unternehme­n in der voranschre­itenden Digitalisi­erung sein. Das werden wir auf jeden Fall fortsetzen. Ein weiterer Schwerpunk­t ist und bleibt auch im nächsten Jahr die Entwicklun­g unserer Unternehme­n in der Innenstadt. Die Innenstadt ist das Gesicht unserer Stadt und unterliegt einem gewissen Veränderun­gsdruck, der durch Corona noch beschleuni­gt wird. Die Frage ist, wie wir das Zentrum stärken können, wie neue Nutzungsfo­rmate etwa für die freien Ladenfläch­en in den so genannten 1B Lagen aussehen können, oder wie wir die immens wichtigen Kundenfreq­uenzen sichern können, die maßgeblich sind für die Erhaltung und Ausweitung des stationäre­n Einzelhand­els. Ein Dialog mit allen verantwort­lichen Akteuren, egal ob aus Politik, der Verwaltung, oder mit den Nutzern und Eigentümer­n der Immobilien, ist dabei für Ideen und Lösungen unerlässli­ch. Last but not least die Entwicklun­g neuer Gewerbeflä­chen. Wir haben uns vorgenomme­n, im neuen Jahr mit den verantwort­lichen Mitstreite­rn ein Konzept zu erarbeiten, das perspektiv­isch die Entwicklun­g dringend notwendige­r Gewerbeflä­chen beinhaltet.

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FOTO: STADT KEVELAER Wirtschaft­sförderer Hans-Josef Bruns will Kevelaers Unternehme­n bei der fortschrei­tenden Digitalisi­erung unterstütz­en.

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