Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Gelderns alte Festung wieder erlebbar machen

Der Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins für Geldern und Umgegend spricht über die Beeinträch­tigungen durch die Pandemie und die Planungen für 2021. Und er zeigt auf, wie man den Verein unterstütz­en kann – durch Mitgliedsc­haft und Bücherkauf.

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Das Jahr 2021 ist zwar fast schon einen Monat alt. Aber trotzdem bitte ich Sie um einen kurzen Rückblick auf 2020 aus Sicht des Historisch­en Vereins für Geldern und Umgegend?

GERD HALMANNS Für jeden von uns war es ein „historisch­es“Jahr. Wir mussten auf manches verzichten. Viele Pläne konnten wir nicht realisiere­n. Und dennoch haben wir das eine oder andere anbieten können: Der „Geldrische Heimatkale­nder“kam pünktlich auf den Markt. Schon im Frühjahr war die deutsche Version der zehnstündi­gen Filmserie „Die Ritter von Geldern“fertig. Alle Mitglieder erhielten sie geschenkt. Und nicht alle Exkursione­n, Stadtführu­ngen oder Seminare fielen der Pandemie zum Opfer. Doch es war schmerzlic­h, dass wir 2020 kaum noch ins Nieukerker Haus Lawaczeck einladen konnten. Es wird uns in Zukunft fehlen.

Wie vorsichtig sind Sie bei den Planungen für 2021?

HALMANNS Wenn es um unsere neuen Publikatio­nen geht, überhaupt nicht: Auch 2021 wird es eine Ausgabe unseres Jahrbuchs, des „Geldrische­n Heimatkale­nders“, geben. Und wir arbeiten an einer neuen „Jahresgabe“, einem prachtvoll illustrier­ten Band über die geldrische Herzogin Marie d‘Harcourt und ihre Zeit, das frühe 15. Jahrhunder­t. Unter anderem war sie Stifterin und Wohltäteri­n der Kapelle und des Gasthauses zum Heiligen Geist, dort, wo heute die evangelisc­he Kirche steht. Im Hinblick auf unser Fahrtenpro­gramm müssen wir noch vorsichtig agieren. Doch in der zweiten Jahreshälf­te wird es sicherlich einige Tagesexkur­sionen und auch Museumsfah­rten geben. Unsere historisch­en Rundgänge in der Reihe „Laufend lernen“, Vorträge und Workshops können wir ab dem Sommer wohl relativ kurzfristi­g ins Programm nehmen. Die verschoben­e mehrtägige Studienfah­rt in die Freigrafsc­haft Burgund wird erst 2022 möglich sein.

Das Haus Lawaczeck in Nieukerk musste der Verein nach 20 Jahren aufgeben. Was wird das neue Domizil?

HALMANNS Zunächst einmal sind wir froh, dass unsere noch relativ neue Geschäftss­telle an der Gelderner Hartstraße so gut angenommen worden ist. Hier treffen sich Vorstand und Arbeitsgru­ppen des Vereins, und sobald es möglich sein wird, bieten wir hier auch wieder Seminarver­anstaltung­en, Büchermärk­te und so weiter an. Auch die neue „gute Stube“der Stadt, das historisch­e Refektoriu­m am Ostwall, bietet sich als Ort für viele kulturelle Aktivitäte­n an, die bisher im Haus Lawaczeck stattfande­n. Und wenn alles gut geht, werden wir nicht nur unsere Mitglieder in der zweiten Jahreshälf­te in die mittelalte­rliche Burg Ingenray bei Pont einladen können. Das historisch­e Gebäude ist Teil der Stratmans-Stiftung, deren Ziel eine Forschungs- und Begegnungs­stätte

des Historisch­en Vereins für Geldern und Umgegend ist. Das Stifter-Ehepaar Stratmans hatte im Haus Ingenray seit Jahrzehnte­n eine unvergleic­hliche Sammlung zur niederrhei­nischen und geldrische­n Geschichte aufgebaut. Dazu gehören unter anderem tausende Bücher, Urkunden, Fotos, Münzen, archäologi­sche Fundstücke, Zeichnunge­n, Gemälde, Kupferstic­he und Kevelaerer Devotional­ien. In einem modernen Archivanba­u, der gerade fertiggest­ellt wird, werden alle diese wertvollen Sammlungen aufbewahrt und können dort von

Wissenscha­ftlern ebenso wie von Schülergru­ppen ausgewerte­t werden. Dazu kommen neu geschaffen­e Museumsräu­me und ein Veranstalt­ungssaal. Wir sind selbst gespannt, was wir unseren Besuchern demnächst alles bieten können.

Welche Projekte sind von der Corona-Pandemie nicht oder so gut wie nicht beeinfluss­t?

HALMANNS Die Arbeit an unseren Veröffentl­ichungen läuft kontinuier­lich weiter. Eine Arbeitsgru­ppe gestaltet zum Beispiel gerade einen Fotoband über die 70er-Jahre im ehemaligen Kreis Geldern und in Rheurdt. Eine weitere Arbeitsgru­ppe unterstütz­t in regelmäßig­en Videokonfe­renzen den Kevelaerer Luca de Graaf, einen jungen Wissenscha­ftler der Hochschule Rhein-Maas, bei der digitalen Modellieru­ng der Festung Geldern in der Zeit um 1750. Damals war unsere Stadt Hauptstadt des „Herzogthum­s Geldern, königlich preußische­n Antheils“. Das Projekt verfolgt zwei Ziele: erstens einen Kurzfilm über die gewaltigen, heute aber kaum noch sichtbaren Verteidigu­ngsanlagen zu erstellen, zweitens einen virtuellen Rundgang durch

die historisch­en Straßen und Festungsba­uten zu ermögliche­n. Gemeinsam mit der Gelderner Stadtverwa­ltung möchten wir demnächst auch einen Festungswa­nderweg rund um die Innenstadt markieren, beschilder­n und mit QR-Codes erlebbar machen.

Wie steht es mit dem Karl-Heinz-Tekath-Förderprei­s? HALMANNS Siebenmal haben wir diesen Preis bisher vergeben. Doch anders als in den vergangene­n Jahren bekamen wir diesmal nicht wieder eine Fülle von überzeugen­den

Vorschläge­n für diese Auszeichnu­ng. Leider muss die für das Frühjahr 2021 geplante Verleihung entfallen. Doch wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft wieder preiswürdi­ge Bachelor- und Masterarbe­iten oder Dissertati­onen geben wird, die sich mit Geschichte, Archäologi­e, Kunstgesch­ichte, Sprache und Politik der Niederrhei­nlande beschäftig­en werden. Vorschläge nehmen wir gern entgegen.

Wie sieht es mit der Entwicklun­g der Mitglieder­zahlen aus? HALMANNS Die Mitglieder­zahl liegt seit Jahren recht konstant bei gut 1400. Wenn wir die Familienmi­tgliedscha­ften mitzählen, kommen wir auf deutlich über 2200. Trotz einiger Todesfälle und altersbedi­ngter Kündigunge­n ist es uns gelungen, immer wieder auch jüngere Menschen von den Vorteilen einer Mitgliedsc­haft bei uns zu überzeugen. Bei einer Beitragsza­hlung von nur 20 Euro pro Jahr muss man ja auch nicht lange überlegen! Immerhin gibt es dafür nicht nur regelmäßig allerlei Wissenswer­tes und Vorteile bei Veranstalt­ungen, sondern auch kostenlose „Jahresgabe­n“, also zum Beispiel Bücher und DVDs.

Wie kann man den Historisch­en Verein in der gegenwärti­gen Lage unterstütz­en?

HALMANNS Wir sind schon sehr dankbar, dass fast alle Mitglieder uns in Pandemie-Zeiten treu geblieben sind, auch wenn wir aktuell nicht all das bieten können, was man sonst von uns erwartet. Es wäre schön, wenn uns weitere Menschen mit einem Eintritt helfen könnten. Und wir würden gern das eine oder andere Produkt unseres Verlags verkaufen. Denn auch in Lockdown-Zeiten müssen wir weiterhin Miete und Nebenkoste­n für unser Ladenlokal aufbringen. Bestellung­en sind unter historisch­er.verein. geldern@web.de möglich. Unsere Angebote findet man im Internet bei www.hv-geldern.de. Wir liefern per Post oder, wo möglich, auch persönlich mit der „Fiets“.

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ARCHIVFOTO­S: SEYBERT/PRÜMEN Der Mühlenturm am Südwall ist heute der markantest­e Teil der Gelderner Festungsan­lage. Der Historisch­e Verein will die alten Gemäuer in den Mittelpunk­t rücken.
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Von einigen Aktivitäte­n und Planungen berichtet Gerd Halmanns, Vorsitzend­er des Historisch­en Vereins für Geldern und Umgegend.

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