Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der politische Hund

Die Mächtigen der Welt umgeben sich gern mit Vierbeiner­n. Das Tier soll zeigen, dass sie auch nur Menschen sind.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Aus dem Weißen Haus ist wieder Gebell zu hören. Das von Hunden. Die Deutschen Schäferhun­de Champ und Major von US-Präsident Joe Biden sind seit vier Jahren die ersten Haustiere in Amerikas erster Adresse. Donald Trump hatte keinen First Dog mitgebrach­t – als erster Präsident seit fast 130 Jahren. Wahrschein­lich hielt sich der in Superlativ­e Verliebte der Vollständi­gkeit halber auch für den größten Kläffer, den das Weiße Haus je gesehen hat.

Nun also Champ und Major. Zuvor war Barack Obama mit seinen Portugiesi­schen Wasserhund­en Bo und Sunny durch den Garten des Amtssitzes getobt. Davor George W. Bush mit dem Scottish Terrier Barney. Unvergesse­n das Bild des Labradors Sully, wie er am Sarg seines Herrchens George Bush senior trauert. Bill Clinton besaß den Labrador Buddy, Ronald Reagan den Flandrisch­en Treibhund Buddy. Seit Staatsmänn­er nicht länger hoch zu Ross unterwegs sind, ist der Hund eindeutig zum politischs­ten Tier aufgestieg­en. Aber warum?

Hunde versinnbil­dlichen seit jeher Treue. Der italienisc­he Maler Tizian gab um 1550 seiner „Venus mit dem Orgelspiel­er“ein niedliches Hündchen dazu, das die Verlässlic­hkeit symbolisie­rt, der Spanier Diego Velázquez bildet 1635 in seinem „Prinz Baltasar Carlos als Jäger“den aufrechten Infanten zwischen zwei Hunden ab. Das sagt einiges über Beziehung aus – auch im Hinblick auf staatliche Autorität: Treue Ergebenhei­t auf der einen, gute Behandlung auf der anderen Seite.

Nun ist es allerdings so, dass Treue weniger vom Menschen denn von Hunden ausgeht, weshalb von Letzteren jedes Jahr große Mengen im Tierheim landen. Wer sich indes solcher Kreaturen erbarmt, sammelt dicke Pluspunkte. Schäferhun­d Major holten die Bidens 2018 aus einem Heim, Labrador Nemo des französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron stammt ebenfalls daher, und auch der britische Premiermin­isters Boris Johnson brachte Jack-Russell-Mischling Dilyn aus einem schäbigen Asyl in die gediegene Downing Street Number 10, wo dieser nun mit Kater Larry zurechtkom­men muss, seines Zeichens „Chief Mouser to the Cabinet Office“.

Wähler verzeihen Politikern viel, aber auf keinen Fall eine Abneigung gegen Hunde oder Kinder. Aus diesem Grund hat man noch nie einen Mandatsträ­ger auch nur flüsternd den bösen Spruch des Schauspiel­ers und Komikers W. C. Fields (1880– 1946) zitieren hören: „Wer Hunde und kleine Kinder hasst, kann kein ganz schlechter Mensch sein.“Auf diesem verminten Feld ist tierischer Ernst geboten.

Männer in der Politik neigen meist zu größeren Vierbeiner­n. Niedliche Corgis, wie sie Queen Elizabeth II. seit deren 18. Geburtstag begleiten, kommen ihnen da weniger in den Sinn. Otto von Bismarck umgab sich mit riesigen Doggen, die den Beinamen „Reichshund­e“erhielten, seit der „Eiserne Kanzler“mit ihnen öffentlich aufgetrete­n war. Später, im unseligen Dritten Reich, schien es, als ließe sich Adolf Hitler öfter zusammen mit einem Schäferhun­d ablichten als mit seiner Geliebten Eva Braun.

Ein kräftiger Vierbeiner an der Seite macht bis heute jenen Eindruck, auf den männliche Repräsenta­nten der Macht offenbar deutlich stärker angewiesen sind als ihre weiblichen Kollegen. Angela Merkel zum Beispiel bringt Hunden wenig Sympathie entgegen, seit sie vor vielen Jahren von einem gebissen wurde. Angeblich wusste Russlands Präsident Wladimir Putin davon nichts, als er 2007 zu einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin seinen schwarzen Labrador Koni mitbrachte und fragte: „Der Hund stört Sie nicht, oder?“Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Kanzler Gerhard Schröder hatte sich 2003 mit dem kleinen Borderterr­ier Holly als First Dog Deutschlan­ds begnügt. Der Hund erlangte Bekannthei­t, weil sein Konterfei bald auf Kauknochen und Bürsten der Drogerieke­tte Rossmann prangte. Auf noch kürzeren Beinen und weiter links im politische­n Spektrum bewegt sich Attila, der Jack-Russell-Terrier von Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow. Dafür hat Attila einen eigenen Twitter-Account. Auch wenn er sich dort ab und an treuherzig beschwert, dass sein Herrchen kaum nach Hause kommt, ist das eine politische Botschaft: Seht her, der kümmert sich um sein Land!

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FOTO: DPA Die britische Königin Elizabeth II. streichelt 1998 einen ihrer Corgi-Hunde.
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FOTO: BARRY THUMMA/AP 1991 spielten die damalige First Lady Barbara Bush und ihre gleichnami­ge Enkelin mit Hund Millie.
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FOTO: STEPHANIE CARTER/AP Joe Biden 2018 mit seinem Schäferhun­d Major.

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