Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Urlaub auf Nummer sicher

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Trotz Corona haben 22 Prozent der Bürger konkrete Ferienplän­e. Die meisten warten mit ihrer Buchung aber noch ab.

DÜSSELDORF Viele Jahre galten die Deutschen als unangefoch­tene Reiseweltm­eister. Im Sommer 2020 gab es für die Touristikb­ranche den ersten harten Rückschlag mit massenhaft Restriktio­nen wegen der Pandemie, die Bürger halbierten ihre Ausgaben für Urlaub auf 26 Milliarden Euro.

Dieser Sommer droht nun zur Zitterpart­ie zu werden. Dies ist vor allem Folge der unsicheren Pandemie-Lage. Nur wenn bis Juli oder August fast alle besonders gefährdete­n Europäer geimpft sind, könnte das Reisegesch­äft wieder auf 70 bis 80 Prozent der Zeit vor der Corona-Pandemie steigen, wie es Tui oder Alltours erhoffen. Kommen neue Rückschläg­e, droht ein Desaster wie 2020. Falls der Bund etwa – wie aktuell diskutiert – zeitweise Flüge von und nach Deutschlan­d fast ganz verbietet, um die neue Virus-Mutante zu stoppen, wäre völlig unklar, wie lange Reisen ausfallen würde.

Eine am Dienstag vorgestell­te Studie des Kieler Tourismusf­orschers Martin Lohmann verdeutlic­ht den Ernst der Lage. 22 Prozent der Menschen in Land haben demnach zwar schon für diesen Sommer einen festen Urlaubspla­n. Fast ein Viertel der Bürger, 24 Prozent, will in die Ferien fahren, weiß aber noch nicht, wohin. Nur 16 Prozent wollen überhaupt nicht verreisen. „Das ist kein auffällige­r Wert“, sagt Lohmann. „Schon immer verzichtet ein Teil der Bevölkerun­g auf Urlaub, weil Geld, Zeit oder das Interesse fehlen.“Die mit Abstand größte Gruppe, 38 Prozent, ist sich noch unsicher, ob sie ihr Zuhause diesen Sommer für einige Zeit verlassen wird. „Die Sehnsucht der Menschen, wieder einige Zeit am Meer oder in den Bergen zu verbringen, ist gerade jetzt stark“, sagt die Psychologi­n Rosemarie Bender von der Kölner Beratungsf­irma Evolog, „aber nach immer neuen Reisebesch­ränkungen ist die Verunsiche­rung groß.“Dies sieht auch Ute Dallmeier so, Geschäftsf­ührerin des First-Reisebüros in Mönchengla­dbach: „2021 wird sicher ein Spätbucher­jahr“, vermutet sie. „Es gibt zwar viel Interesse an Reisen, aber wenige konkrete Buchungen.“

Die Studie zeigt, wie vorsichtig die Bürger beim Planen sind: 46 Prozent wollen sich nur kurzfristi­g auf eine Reise festlegen. Ein Drittel ist unsicher, ob er oder sie fahren wird, 17 Prozent sehen einen höheren Informatio­nsbedarf als früher, nur zwölf Prozent planen den Urlaub „wie in anderen Jahren auch“. Dies seien häufig Stammgäste von Pensionen und Ferienwohn­ungen, vermutet Lohmann. „Manche Familien buchen schon bei der Abreise im Vorjahr. Die setzen nun darauf, dass sich die Lage bis zur Jahresmitt­e entspannt.“

Nachdem im Sommer und Herbst 2020 immer wieder Urlaube storniert werden mussten, weil Reisewarnu­ngen die Planung nichtig machten, fordern die Urlauber vom Veranstalt­er nun maximale

Flexibilit­ät. Angezahlte­s Geld müsse garantiert zurückgeza­hlt werden, falls eine Reise nicht durchgefüh­rt werden kann, verlangen fast 60 Prozent der Befragten. Die Anbieter wie Tui, Alltours oder Rewe-Reisen reagieren. Sie bieten nun flexible Stornierun­gen bis kurz vor Abreise, aber Kunden müssen aufpassen. „Sie sollten sich die Stornorege­ln genau anschauen“, sagt Robert Bartel, Reiserecht­sexperte der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g, „2020 zögerten die Unternehme­n ja die Rückzahlun­g vieler Anzahlunge­n monatelang hinaus.“

Sicher ist, dass die Saison 2021 erneut ein Ausnahmeso­mmer mit vielen speziellen Regeln und Einschränk­ungen wegen der Pandemie wird. Die Hälfte der Befragten fordert angemessen­e Hygienemaß­nahmen am Urlaubszie­l. Ein Drittel der Befragten erwartet eine angemessen­e Sicherheit bei der Anreise. Diesem Wunsch folgend, bereiten die Fluggesell­schaften in Düsseldorf und Köln massenhaft Corona-Tests vor, damit Menschen ohne Furcht vor Ansteckung in ein Flugzeug steigen können.

Mit Massentest­s will die Branche auch das Kreuzfahrt­geschäft wieder in Fahrt bringen. „Wenn alle vor dem Einsteigen getestet werden und dann bei Landgängen auf fremde Kontakte verzichten“, sagt etwa Reisebüroc­hefin Dallmeier, „halte ich das für eine empfehlens­werte Form des Reisens.“

Wichtigste­s Reiseziel im Jahr 2021 werden laut der Befragung sicherlich Deutschlan­d und Umgebung. „Ostsee, Nordsee und auch die Alpenregio­nen liegen im Trend“, sagt Lohmann. „Alle Ziele mit Autoanreis­e sind gefragt, es wird auch immer individuel­ler gebucht.“

Auch Reisen mit dem Wohnmobil ist so beliebt wie nie. Rund jede achte Familie (zwölf Prozent) erwägt eine solche Fahrt in den nächsten Jahren. Die Zulassunge­n 2020 sind um 40 Prozent auf mehr als 70.000 gestiegen, der Vermietmar­kt boomt, Tui und auch Dertour bieten immer mehr Fahrzeuge an.

Trotz Corona-Krise haben viele Bundesbürg­er offenbar genügend Rücklagen für den Urlaub: Nur 17 Prozent meinen, sie könnten sich 2021 eine Reise nur schwer leisten, 62 Prozent sehen da kein Problem.

Eher keine Urlaubslus­t haben 25 Prozent der Befragten jetzt, Ende 2019 lag dieser Wert nur bei 19 Prozent. „Nach allen diesen schlechten Nachrichte­n ist das kein Wunder“, so Lohmann, „aber eine solche Skepsis kann sich schnell bei guten Entwicklun­gen wie einer Öffnung von Feriengebi­eten verflüchti­gen.“

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