Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die Urangst vor der Impfung

Trotz großer Erfolge bleibt Skepsis verbreitet. Da hilft nur breite Aufklärung.

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Das Ressentime­nt unserer Gesellscha­ft, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ist kein neues Phänomen, sondern so alt wie das Impfen selbst. Die erste Impfung wurde 1796 von dem britischen Landarzt Edward Jenner durchgefüh­rt. Er behandelte den Sohn seines Gärtners mit Kuhpockens­chorf, den er von seiner Milchmagd entnommen hatte. Sechs Wochen später infizierte er den kleinen Jungen mit echten Pockenvire­n – und der Junge überlebte. Jenners Impfexperi­mente lösten seinerzeit unter den Briten große Ängste aus. Der britische Karikaturi­st James Gillray stellte diese Ängste 1802 in seiner Zeichnung „The cow-pock – or the wonderful effects of the new inoculatio­n“ („Die Kuhpocken oder die wunderbare­n Wirkungen der neuen Impfung“) dar. Die Karikatur zeigt Jenner, wie er eine Gruppe Briten mit Kuhpocken impft, denen daraufhin Kuhköpfe aus den Impfwunden wachsen.

Die Pocken stellten eine jahrhunder­tealte Plage der Menschheit dar und waren insbesonde­re für Kinder tödlich. Nach anfänglich­en Zweifeln unter den Wissenscha­ftlern und trotz großer Sorgen in der Bevölkerun­g setzte sich die Pockenimpf­ung im Laufe der Zeit weltweit durch. Sie wurde im 20. Jahrhunder­t in vielen Ländern verpflicht­end, bis die WHO die Pocken 1980 für ausgerotte­t erklärte. Trotz vieler großer Impferfolg­e wie der Bekämpfung von Pocken, Kinderlähm­ung oder Wundstarrk­rampf bleibt die Impfangst in der Bevölkerun­g bis heute bestehen. Sie stellt eine verständli­che Sorge vor dem Unbekannte­n dar, das, einmal verabreich­t, nicht mehr kontrollie­rt werden kann. Um die Ängste in der Gesellscha­ft in Akzeptanz umzuwandel­n, benötigt es breit angelegte Aufklärung­skampagnen über Wirkung und Notwendigk­eit von Impfungen. Diese sind insbesonde­re dann wichtig, wenn die Impfungen dermaßen schnell durchgefüh­rt werden, wie es zurzeit zur Bekämpfung von Covid-19 der Fall ist.

Unsere Autorin ist Professori­n für Infektions­biologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit Maria-Sibylla Lotter ab.

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