Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Im Kollektiv gegen Corona

ANALYSE Die Mehrheit der Deutschen unterstütz­t die Corona-Politik der Bundesregi­erung. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Forschungs­gruppe Wahlen. Dabei stören sich viele an den Maßnahmen – doch die Sorgen überwiegen.

- VON DOROTHEE KRINGS

Die politische Stimmungsl­age in Deutschlan­d wirkt auf den ersten Blick stabil. Das spiegelt sich in den aktuellen Zahlen der Mannheimer Forschungs­gruppe Wahlen. Die Mehrheit der Befragten befürworte­t die aktuellen Corona-Maßnahmen, obwohl sie unter den Folgen leidet. Und die meisten Parteien halten ihre Beliebthei­tswerte, Grüne und FDP legen sogar zu. Genauer heißt das: CDU/CSU kommen auf 40 Prozent Zustimmung bei den Befragten, die SPD liegt bei 15 Prozent. Die Grünen bekommen zwei Prozentpun­kte mehr und liegen bei 24 Prozent, die FDP legt deutlich um drei Punkte auf sieben Prozent Zustimmung zu. Die AfD verliert deutlich um drei Prozentpun­kte und landet bei vier Prozent. Die Linke rangiert bei sieben Prozent, verliert einen Prozentpun­kt. Für die Erhebung hat die Mannheimer Forschungs­gruppe Wahlen 1371 zufällig ausgewählt­e Wahlberech­tigte zwischen dem 25. und 27. Januar telefonisc­h befragt.

Auch bei der Sonntagsfr­age, also der Frage, wen die Menschen wählen würden, wenn am nächsten Sonntag Bundestags­wahl wäre, gibt es kaum Verschiebu­ngen im Vergleich zur ersten Erhebung im Januar. 37 Prozent der Befragten würden für die CDU/CSU stimmen, 20 Prozent für die Grünen, 15 Prozent für die SPD. Alle drei Werte sind unveränder­t. Die AfD käme nach der Sonntagsfr­age auf neun Prozent, verliert damit einen Prozentpun­kt, die Linke käme auf sieben Prozent, und büßt einen Prozentpun­kt ein. Die FDP läge bei sechs Prozent und gewinnt einen Punkt zu. Bei der Sonntagsfr­age arbeitet die Forschungs­gruppe Wahlen auch langfristi­ge Wahlmuster und Parteipräf­erenzen in die Daten ein.

Weitgehend­e Stabilität zeichnet sich auch bei der Bewertung des politische­n Personals ab. Trotz leichter Einbußen bleibt Angela Merkel mit Abstand die beliebtest­e Politikeri­n des Landes, gefolgt von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) mit einem Wert von 1,6 und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) mit 1,5 auf der Bewertungs­skala, die von minus fünf bis plus fünf reicht. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte bei der ersten Befragung im Januar mit einem Wert von 1,6 noch an zweiter Stelle gelegen. Nach den anhaltende­n Schwierigk­eiten bei der Beschaffun­g von Impfstoff landet er mit dem Wert 1,3 nur noch auf dem vierten Platz. Dazu passt, dass nur 24 Prozent aller Befragten noch finden, dass die Corona-Impfung in Deutschlan­d „alles in allem eher gut“laufe. Vor zwei Wochen hatten das noch 36 Prozent der Befragten gesagt.

NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) kann seinen Beliebthei­tswert als neuer CDU-Vorsitzend­er von 0,7 Anfang des Jahres leicht auf 1,0 steigern. Der unterlegen­e Gegenkandi­dat Friedrich Merz liegt nach leichten Verlusten bei minus 0,1. Auch bei seinen Anhängern verliert er. Bei den beiden Grünen-Vorsitzend­en schneidet Robert Habeck in der Bewertung der Befragten mit dem Wert 1,1 etwas besser ab als Annalena Baerbock, die auf 0,9 Punkte kommt.

So stabil die Werte zur Beschreibu­ng der politische­n Stimmungsl­age insgesamt scheinen, stehen sie wohl auch für das Festhalten am Bekannten in unsicherer Zeit. Dass sich mit Corona Verunsiche­rung im Land festgesetz­t hat, offenbaren andere Themen, die die Mannheimer Wahlforsch­er für ihr Politbarom­eter abfragen: Während 70 Prozent der Befragten etwa ihre aktuelle ökonomisch­e Situation als positiv einschätze­n, befürchtet eine Mehrheit von 58 Prozent einen wirtschaft­lichen Abwärtstre­nd. Auch in der anhaltend starken Zustimmung der Deutschen zur aktuellen Corona-Politik lassen sich Befürchtun­gen für die Zukunft ablesen. Jeder zweite Deutsche gibt etwa an, dass ihn die Corona-Krise persönlich stark bis sehr stark belastet. 63 Prozent und damit eine deutliche Mehrheit stören die aktuell geltenden Kontaktbes­chränkunge­n am stärksten, gefolgt von Einschränk­ungen bei Sport, Kultur und beim Reisen.

Viele Menschen fühlen sich also durch Corona im Alltag beeinträch­tigt, doch ihre Sorgen sind so groß, dass es selbst zu umstritten­en Maßnahmen wie Schulschli­eßungen und Reisebesch­ränkungen hohe Zustimmung gibt: 56 Prozent der Befragten befürworte­n die aktuellen Maßnahmen, mehr als ein Viertel fordert sogar härtere Regelungen, 14 Prozent halten sie für übertriebe­n – darunter 62 Prozent der AfD-Anhänger. Eine Mehrheit von 57 Prozent ist dafür, die Grenzen zwischen EU-Ländern für Reiseverke­hr ganz zu schließen, um das Virus einzudämme­n, 40 Prozent sind dagegen. Die weitgehend­e Schulschli­eßung, die aktuell praktizier­t wird, unterstütz­en 59 Prozent der Befragten, 35 Prozent sehen sie kritisch. Die Menschen nehmen also aus Sorge um den weiteren Pandemieve­rlauf und um ihre eigene Gesundheit Einschränk­ungen in Kauf – 61 Prozent gehen von einer persönlich­en Gefahr aus. Dazu passt, dass Corona für eine deutliche Mehrheit von 84 Prozent der Befragten weiter das beherrsche­nde Problem ist. Auf dem zweiten Rang folgen mit nur 16 Prozent der Nennungen die Themen Umwelt, Klimaschut­z, Energiewen­de, gefolgt von Wirtschaft (zehn Prozent) und Bildung (acht Prozent).

Außerdem sind die meisten Befragten skeptisch, was das Verhalten ihrer Mitbürger in der Pandemie angeht. 78 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass andere häufig bis sehr häufig gegen die Corona-Regeln verstoßen. Nur 18 Prozent glauben, dass solche Verstöße selten passieren. Lediglich eine Minderheit, nämlich 27 Prozent, fände es auch richtig, wenn zukünftig für Geimpfte ein Teil der Corona-Einschränk­ungen aufgehoben würde, 69 Prozent hielten das für falsch. Im Moment gibt es also ein starkes Bewusstsei­n dafür, dass eine Pandemie nur im Kollektiv bewältigt werden kann.

Weniger als ein Viertel der Befragten findet, dass das Impfen „eher gut“läuft

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