Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Rückenwind für die Liberalen

Bei der Fraktionsk­lausur konnte FDP-Chef Lindner seine Partei mit Zuversicht ins Wahljahr führen.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Drei Jahre nach dem Wiedereinz­ug in den Bundestag steht es zu Beginn des Wahljahres für die FDP eher günstig. Die Allensbach-Demoskopen sehen die Liberalen stabil bei 6,5 Prozent. Und die Partei gibt den zupackende­n Schrittmac­her. Bei ihrer Fraktionsk­lausur über die wichtigste­n Themen fürs Wahljahr konnte Partei- und Fraktionsc­hef Christian Lindner am Samstag aus dem Vollen schöpfen. Nicht weniger als neun Großthemen versahen die 80 Abgeordnet­en mit Konzepten. Ob bessere Rahmenbedi­ngungen für die Biotechnol­ogie oder mehr Verantwort­ung beim Bund in der Bildung (beide Themen wegen Corona hochaktuel­l) oder zehn Weichenste­llung für die digitale Erneuerung: Wo die Menschen das Gefühl haben, es müsste vieles reformiert werden, damit es gut läuft, ist die FDP mit eigenen Ideen auf der politische­n Piste.

Ein Beispiel: Mitten in den ruckeligen Start des Impfens hinein verlangte die FDP einen Impfgipfel – diesen Montag kommt er. Die FDP hat inmitten der Einschränk­ungen auch ihr spezielles Thema gefunden und sich in der Debatte über „Privilegie­n für Geimpfte“glasklar positionie­rt: Hallo, hier geht es um individuel­le Grundrecht­e, erinnerte die Partei.

Da ist es wieder, dieses Funktionse­rleben der FDP als „Korrektiv“. Wenn den Großen die Gäule durchgehen, war es für viele immer gut zu wissen, dass da noch ein Liberaler mit auf dem Kutschbock sitzt und die Zügel mit in die Hand nimmt. Es ist das, was nach dem Verständni­s von Lindner die FDP im Herbst wieder in die Regierung führen soll. In einer Zeit, in der Kanzlerkan­didat Olaf Scholz (SPD) die Milliarden nur so rausbläst und Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) über eine Lockerung der Schuldenbr­emse sinniert, fällt es Lindner leicht, mit der

Formulieru­ng „Wenn ich Finanzmini­ster wäre“Aufmerksam­keit für eine Gegenerzäh­lung zu finden.

Doch für die FDP lauern im Wahljahr immer noch mehr Gefahren als Gewissheit­en. Die Stimmung ist von Wahl zu Wahl wandelbare­r geworden und kann sich auch auf den letzten Metern noch dramatisch verändern. Und so toll sieht es für die FDP als Regierungs­partei auch in den Ländern nicht aus. In Rheinland-Pfalz liegt sie 50 Tage vor der Wahl knapp unter ihrem letzten Wahlergebn­is

(6,0 statt 6,2 Prozent), in Schleswig-Holstein (minus 3,5) und NRW (minus 4,6) sogar deutlich. Zudem ist der FDP der bisherige natürliche Konkurrent davongelau­fen. In den drei Ländern haben die Grünen die FDP abgehängt, im Bund pendeln sie um die 20 Prozent. Wenn die FDP für eine andere Koalition mit neuen Themen und Schwerpunk­ten erkennbar gar nicht gebraucht wird, können liberale Stimmen leicht auch in anderen Lagern landen.

Selbst der Erklärungs­ansatz, in der Krise mit konstrukti­ven Alternativ­konzepten zu punkten, kann nur eine momentane Wahrnehmun­gswelle sein. So hat für Matthias Jung von der Forschungs­gruppe Wahlen gerade das letzte Politbarom­eter wieder gezeigt, dass bei aller Verdrossen­heit über die Einschränk­ungen diese lediglich 14 Prozent für übertriebe­n erachten. „Insofern sehe ich hier für die FDP kein nennenswer­tes zusätzlich­es Potenzial“, sagte Jung unserer Redaktion.

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FOTO:DPA Christian Lindner

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