Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Blaupause für Corona-Lockerung

-

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) legt einen Stufenplan vor.

HANNOVER/DÜSSELDORF (kes/maxi) Seit nunmehr drei Monaten befindet sich Deutschlan­d im zweiten Lockdown. Derweil erreichten die Ansteckung­s- und auch die Todeszahle­n neue Höchstwert­e. Erst jetzt fällt zumindest die Infektions­rate, während die Zahl der Toten als nachlaufen­der Indikator noch immer erschrecke­nd hoch bleibt. Vor diesem Hintergrun­d hat der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) einen Stufenplan vorgelegt, wie das Land aus dem Lockdown aussteigen könnte.

Danach sollen Wechselunt­erricht in Schulen wie auch Trauerfeie­rn schon ab einem Inzidenzwe­rt von weniger als 100 wöchentlic­hen Ansteckung­en pro 100.000 Einwohnern möglich sein. Der Einzelhand­el sowie Gastronomi­e und Hotels sollen öffnen, wenn der Inzidenzwe­rt auf unter 50 fällt. Bei weniger als 25 Neuinfekti­onen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern sind die Theater und Kinos dran. Fällt der Wert unter zehn, soll es auch wieder Discobesuc­he geben, wenn die Betreiber ein überzeugen­des Hygienekon­zept vorlegen.

Nach Ansicht vieler Experten ist Weils Stufenplan zwar gut gemeint, lockert aber zu schnell. Die Inzidenzwe­rte sind danach lediglich eine Momentaufn­ahme für das Infektions­geschehen, dass fünf bis sieben Tage zurücklieg­t. Gefährlich­e Mutationen können längst auf dem Vormarsch sein, auch wenn die Ansteckung­szahl sinkt. Praktisch bedeutet das, der Wert vor jeder Öffnung soll möglichst unter 25 sinken.

Ein besseres Maß als die Inzidenz ist hier der Reprodukti­onswert R. Er bemisst, wie viele Menschen andere im Verlauf von sieben Tagen anstecken. Bei Werten größer als eins kommt es zu einem exponentie­llen Wachstum der Infektione­n, bei Werten kleiner als eins nimmt diese Zahl ab. Bei einem Wert von 0,7 sinken die Neuinfekti­onen in einer Woche um rund die Hälfte. Dann wären auch ansteckend­ere Varianten nicht zu fürchten. Davon ist Deutschlan­d aber noch weit entfernt.

Im Düsseldorf­er Landtag sind es die Grünen, die einen Stufenplan fordern. Anhand klarer Inzidenzwe­rte sollen Lockerunge­n oder Verschärfu­ngen der Corona-Maßnahmen vorgenomme­n werden. Doch NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) erteilte einem solchen Ampelsyste­m während einer Unterricht­ung des Landtags in der vergangene­n Woche eine klare Absage: „Manche sagen: ,Wo ist denn der Langzeitpl­an? Wir brauchen eine langfristi­ge Perspektiv­e.‘ Und ich sage jenen, die kann es nicht geben.“Laschet verwies auf die Virusmutat­ionen, die so niemand auf dem Plan gehabt habe. Gleiches gelte für die Lieferschw­ierigkeite­n der Pharmakonz­erne mit Impfstoffe­n.

Damit widerspric­ht der NRW-Landeschef im Übrigen seinen eigenen Worten aus dem vergangene­n Jahr. Noch Ende November hatte der Ministerpr­äsident unserer Redaktion gesagt: „Ab Januar müssen kluge Konzepte langfristi­ge Perspektiv­en für ein Leben mit der Pandemie ermögliche­n.“

 ?? FOTO: DPA ?? Stephan Weil (SPD) ist Niedersach­sens Ministerpr­äsident.
FOTO: DPA Stephan Weil (SPD) ist Niedersach­sens Ministerpr­äsident.

Newspapers in German

Newspapers from Germany