Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Vielen Bierbrauern droht die Insolvenz
Vor allem kleinere Unternehmen sind durch die Pandemie in Not geraten. Der Lockdown hat den Fassbierverkauf stark sinken lassen.
DÜSSELDORF Eigentlich wäre der vergangene Sommer ein wahres Fest für die Bierbrauer gewesen. Die Fußball-Europameisterschaft in zwölf europäischen Ländern hätte die Biergärten in der Zeit der Corona-Lockerungen füllen, den Bierdurst der Besucher steigern und so den Absatz erhöhen können. Doch mit der Absage der sportlichen Großveranstaltung, die in ganz Europa ausgetragen worden wäre, gab es kurz nach Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 die vage Hoffnung, wenigstens einen Teil der erlittenen Absatz- und Umsatzverluste wieder hereinholen zu können.
Daraus wurde nichts. Stattdessen gab es im November 2020 den zweiten Lockdown in der Gastronomie. Und diese fünf Monate Zwangsschließungen treffen auch die Bierbrauer ins Mark. Gut zehn Monate nach der ersten Schließung schlägt die Branche Alarm, weil ihr nach
Angaben des Deutschen Brauerbundes Pleiten drohen – vor allem den kleinen, inhabergeführten Häusern. Wie viele genau betroffen sind, bleibt zunächst offen. „Die Situation der Brauwirtschaft ist dramatisch und in der Nachkriegszeit ohne Beispiel“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes in Berlin. Der mehrmonatige Lockdown der Gastronomie, das Verbot von Veranstaltungen und der Kollaps wichtiger Auslandsmärkte hätten die Brauwirtschaft schwer getroffen, so der Verband. Brauereien hätten „von einem Tag auf den anderen einen großen Teil ihrer wirtschaftlichen Basis verloren“.
Das ist vor allem für die kleineren Betriebe (etwa 1450 der knapp 1550 Brauereien kommen auf einen Ausstoß von weniger als 100.000 Hektoliter im Jahr) ein großes Problem. Aber auch viele große Brauereien haben deutliche Rückgänge erlitten. Ein paar Beispiele:
Krombacher verlor beim Fassbiervolumen 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr, Becks 60 und Veltins 57 Prozent. Anderen geht es kaum besser.
Das hat Folgen für die Erlöse: Durchschnittlich rund 23 Prozent Umsatz hat die Branche einer Umfrage des Brauerbundes zufolge im vergangenen Jahr verloren. Der Unterschied zum vergleichsweise geringen Absatzminus von 5,5 Prozent, das das Statistische Bundesamt am Montag bekannt gab, ist schnell erklärt: „Das Geschäft mit der Gastronomie hat eine deutlich höhere Wertschöpfung“, sagte Eichele unserer Redaktion.
Heißt: Dass die Restaurants und Biergärten schließen, die Schützenfeste und Kirmesveranstaltungen ausfallen, zudem andere Großereignisse abgesagt werden mussten, schlägt schwer ins Kontor, weil dort das Fassbier verkauft wird, während das Flaschengeschäft mit dem Einzelhandel unproblematischer war. Faustregel: Je größer der Fassbieranteil
am Gesamtausstoß, desto prekärer die Lage für die Brauerei. Während die Flaschenbier-Verkäufer somit teilweise ganz gut durch die Krise gekommen sind, klagen andere über Umsatzverluste von bis zu 70 Prozent.
Umso dringender sind aus Sicht von Eichele die Hilfen für die Branche, die im vergangenen Jahr viel Bier habe vernichten müssen. „Die Rücklagen sind bei vielen aufgebraucht“, erklärt der Verbandsgeschäftsführer. Man habe Verständnis für die schwere Situation und respektiere die Leistungen von Bund und Ländern in dieser Hinsicht. „Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass viele Betriebe hinten runterfallen“, so Eichele. Er forderte, dass der Staat beispielsweise für notgedrungen weggeschüttetes Bier einen Ausgleich zahlen müsse – ähnlich wie das für die Saisonware in der Modebranche geplant sei. „Wir haben viel aus den Kühlkellern der Gastronomen zurückgenommen, das wir vernichten mussten“, sagt Eichele. Auch die Mischbetriebe in der Branche haben Probleme, weil sie durch den Rost der staatlichen Hilfen fallen. Für die Gastronomie seien weitreichende Hilfspakete geschnürt worden. Die 1500 überwiegend mittelständischen Brauereien als indirekt Betroffene gingen jedoch, bis auf wenige Ausnahmen, leer aus, so der Verband.
Dessen Hauptgeschäftsführer und andere in der Branche sind, was eine möglichst schnelle Öffnung angeht, derzeit eher skeptisch: „Wir fürchten, dass die Gastronomie vor Ostern nicht öffnen darf“, sagt Eichele. Damit würden sich die Probleme der Brauer noch einmal verschärfen, weil damit das Fassbiergeschäft im gesamten ersten Quartal leiden würde. Für die Branche, die im vergangenen Vierteljahrhundert ohnehin fast ein Viertel ihres Absatzes verloren hat (zuletzt wurden rund 8,7 Milliarden Liter verkauft), eine düstere Perspektive.