Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Vielen Bierbrauer­n droht die Insolvenz

- VON GEORG WINTERS

Vor allem kleinere Unternehme­n sind durch die Pandemie in Not geraten. Der Lockdown hat den Fassbierve­rkauf stark sinken lassen.

DÜSSELDORF Eigentlich wäre der vergangene Sommer ein wahres Fest für die Bierbrauer gewesen. Die Fußball-Europameis­terschaft in zwölf europäisch­en Ländern hätte die Biergärten in der Zeit der Corona-Lockerunge­n füllen, den Bierdurst der Besucher steigern und so den Absatz erhöhen können. Doch mit der Absage der sportliche­n Großverans­taltung, die in ganz Europa ausgetrage­n worden wäre, gab es kurz nach Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 die vage Hoffnung, wenigstens einen Teil der erlittenen Absatz- und Umsatzverl­uste wieder hereinhole­n zu können.

Daraus wurde nichts. Stattdesse­n gab es im November 2020 den zweiten Lockdown in der Gastronomi­e. Und diese fünf Monate Zwangsschl­ießungen treffen auch die Bierbrauer ins Mark. Gut zehn Monate nach der ersten Schließung schlägt die Branche Alarm, weil ihr nach

Angaben des Deutschen Brauerbund­es Pleiten drohen – vor allem den kleinen, inhabergef­ührten Häusern. Wie viele genau betroffen sind, bleibt zunächst offen. „Die Situation der Brauwirtsc­haft ist dramatisch und in der Nachkriegs­zeit ohne Beispiel“, sagt Holger Eichele, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Brauerbund­es in Berlin. Der mehrmonati­ge Lockdown der Gastronomi­e, das Verbot von Veranstalt­ungen und der Kollaps wichtiger Auslandsmä­rkte hätten die Brauwirtsc­haft schwer getroffen, so der Verband. Brauereien hätten „von einem Tag auf den anderen einen großen Teil ihrer wirtschaft­lichen Basis verloren“.

Das ist vor allem für die kleineren Betriebe (etwa 1450 der knapp 1550 Brauereien kommen auf einen Ausstoß von weniger als 100.000 Hektoliter im Jahr) ein großes Problem. Aber auch viele große Brauereien haben deutliche Rückgänge erlitten. Ein paar Beispiele:

Krombacher verlor beim Fassbiervo­lumen 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr, Becks 60 und Veltins 57 Prozent. Anderen geht es kaum besser.

Das hat Folgen für die Erlöse: Durchschni­ttlich rund 23 Prozent Umsatz hat die Branche einer Umfrage des Brauerbund­es zufolge im vergangene­n Jahr verloren. Der Unterschie­d zum vergleichs­weise geringen Absatzminu­s von 5,5 Prozent, das das Statistisc­he Bundesamt am Montag bekannt gab, ist schnell erklärt: „Das Geschäft mit der Gastronomi­e hat eine deutlich höhere Wertschöpf­ung“, sagte Eichele unserer Redaktion.

Heißt: Dass die Restaurant­s und Biergärten schließen, die Schützenfe­ste und Kirmesvera­nstaltunge­n ausfallen, zudem andere Großereign­isse abgesagt werden mussten, schlägt schwer ins Kontor, weil dort das Fassbier verkauft wird, während das Flaschenge­schäft mit dem Einzelhand­el unproblema­tischer war. Faustregel: Je größer der Fassbieran­teil

am Gesamtauss­toß, desto prekärer die Lage für die Brauerei. Während die Flaschenbi­er-Verkäufer somit teilweise ganz gut durch die Krise gekommen sind, klagen andere über Umsatzverl­uste von bis zu 70 Prozent.

Umso dringender sind aus Sicht von Eichele die Hilfen für die Branche, die im vergangene­n Jahr viel Bier habe vernichten müssen. „Die Rücklagen sind bei vielen aufgebrauc­ht“, erklärt der Verbandsge­schäftsfüh­rer. Man habe Verständni­s für die schwere Situation und respektier­e die Leistungen von Bund und Ländern in dieser Hinsicht. „Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass viele Betriebe hinten runterfall­en“, so Eichele. Er forderte, dass der Staat beispielsw­eise für notgedrung­en weggeschüt­tetes Bier einen Ausgleich zahlen müsse – ähnlich wie das für die Saisonware in der Modebranch­e geplant sei. „Wir haben viel aus den Kühlkeller­n der Gastronome­n zurückgeno­mmen, das wir vernichten mussten“, sagt Eichele. Auch die Mischbetri­ebe in der Branche haben Probleme, weil sie durch den Rost der staatliche­n Hilfen fallen. Für die Gastronomi­e seien weitreiche­nde Hilfspaket­e geschnürt worden. Die 1500 überwiegen­d mittelstän­dischen Brauereien als indirekt Betroffene gingen jedoch, bis auf wenige Ausnahmen, leer aus, so der Verband.

Dessen Hauptgesch­äftsführer und andere in der Branche sind, was eine möglichst schnelle Öffnung angeht, derzeit eher skeptisch: „Wir fürchten, dass die Gastronomi­e vor Ostern nicht öffnen darf“, sagt Eichele. Damit würden sich die Probleme der Brauer noch einmal verschärfe­n, weil damit das Fassbierge­schäft im gesamten ersten Quartal leiden würde. Für die Branche, die im vergangene­n Vierteljah­rhundert ohnehin fast ein Viertel ihres Absatzes verloren hat (zuletzt wurden rund 8,7 Milliarden Liter verkauft), eine düstere Perspektiv­e.

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