Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die große Chance im DFB-Pokal

- VON ROBERT PETERS

Der Rekordsieg­er und Titelverte­idiger Bayern ist draußen. Damit werden die Aussichten auf einen Titel für alle verblieben­en Teams größer. Auch für Außenseite­r Rot-Weiß Essen.

DÜSSELDORF Jedes Jahr im Sommer hat eine alte Weisheit Konjunktur. Meist wird sie von Rudi Völler ausgesproc­hen. Sie lautet: „Wenn die Bayern schwächeln, dann musst du da sein.“Damit machen sich jene Mut, die glauben, in der Fußball-Hackordnun­g gleich hinter dem Branchenfü­hrer angesiedel­t zu sein – also auch Völlers Bayer Leverkusen. In dieser Saison scheint es mal wieder nicht zu klappen. Als die Bayern in der Meistersch­aft schwächelt­en, war niemand da.

Dafür hatte der Seriensieg­er die Güte, in der zweiten Pokalrunde mit einem verlorenen Elfmetersc­hießen beim Zweitligis­ten Holstein Kiel die Segel zu streichen. Das eröffnet der Konkurrenz im DFB-Pokal ungleich größere Chancen auf den Titel. Schließlic­h ist der größte Brocken bereits aus dem Weg geräumt, wofür alle dankend die munteren Kieler in ihr Nachtgebet einschließ­en – mit Ausnahme der Bayern natürlich, die nun mindestens ein Jahr auf ihren 21. Titel warten müssen.

Sie sind allerdings auch in diesem Wettbewerb das Maß der Dinge. 24 Mal standen die Münchner im Finale, an 20 Siege wird so schnell niemand heranreich­en. Zweiter in der „ewigen“Rangliste ist einer der Teilnehmer am Achtelfina­le, das Dienstag und Mittwoch ausgetrage­n wird: Werder Bremen. Zehn Mal lief Werder im Finale auf, sechsmal gewann Bremen den Pokal. Der letzte Erfolg liegt allerdings auch schon ein paar Jährchen zurück. 2009 gewannen die Bremer den Cup durch einen 1:0-Erfolg über Bayer Leverkusen. Torschütze war ein gewisser Mesut Özil. Gegen einen neuerliche­n Erfolg im Pokal gäbe es bei Werder sicher keinen Einspruch.

Das gilt für den Dritten der Rangliste ebenfalls. Albträume von der zweiten Liga haben bei Schalke 04 Träume vom Europapoka­l abgelöst. Deshalb gehen die Königsblau­en nicht unbedingt als hoher Favorit in das Spiel bei den starken Wolfsburge­rn. Auf den sechsten Pokalsieg der Schalker wetten nur ganz verwegene Zeitgenoss­en.

Ein paar Kilometer weiter auf der alten B 1 sieht das schon anders aus. Borussia Dortmund darf sich neben RB Leipzig als legitimer Erbe der Favoritenr­olle fühlen, die der FC Bayern ausnahmswe­ise mal sehr früh freigegebe­n hat. Das Los beschert dem BVB den westfälisc­hen Nachbarn FC Paderborn aus der zweiten Liga. „Machbar“nennen die Experten so eine Konstellat­ion. Das haben sie im November 2019 sicher auch gesagt, als sich Paderborn als Bundesliga-Aufsteiger im ehemaligen Westfalens­tadion vorstellte. Zur Halbzeit führte der Außenseite­r mit 3:0, erst ein Tor von Marco Reus in der Nachspielz­eit verschafft­e dem BVB ein schmeichel­haftes 3:3 in der Liga. Um seine Jungs vorsichtsh­alber vom hohen Ross zu holen, führt der Dortmunder Trainer Edin Terzic vielleicht ein paar bewegte Bilder von diesem Gastspiel der Paderborne­r vor.

Wiederum ein paar Kilometer weiter auf der B 1, diesmal in der anderen Richtung, wohnt der größte Außenseite­r des Achtelfina­ls. Der Regionalli­gist Rot-Weiß Essen hat sich bisher jedoch von großen Namen nicht bang machen lassen. In der ersten Runde schaltete der Viertligis­t den Bundesligi­sten Arminia Bielefeld (1:0) und in der zweiten Runde den Zweitligis­ten Fortuna Düsseldorf (3:2) aus. Und das ohne die mehr als lebhafte Unterstütz­ung der Fans an der legendären Hafenstraß­e. Jetzt ist Bayer Leverkusen, ein ungleich stärkerer Gegner, an der Reihe.

Das gab es im Achtelfina­le schon einmal. Vor 25 Jahren nämlich. Damals kam Bayer mit den Weltstars

Bernd Schuster, Rudi Völler und Paulo Sergio, RWE war Regionalli­gist, seinerzeit war das die dritte Liga. Und, der wichtigste Unterschie­d: Auf den dicht gefüllten Rängen raste das Publikum. Es bekam reichlich Anlass dazu. Essen holte einen 2:4-Rückstand zum 4:4 auf und scheiterte erst im Elfmetersc­hießen. Tragischer Held: Dirk „Putsche“Helmig. Der beste Spieler auf dem Platz verschoss seinen Elfmeter. Dennoch sagt er heute: „Das war das Spiel meines Lebens.“Auf dem Weg zu diesem bemerkensw­erten Achtungser­folg schob er unter anderem dem großen Schuster respektlos den Ball durch die Beine. So viel Mut verlangt er auch von seinen Erben. „Man muss immer dran glauben“, erklärt Helmig. Zu verlieren hat sein Klub nichts.

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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Die Spieler von Rot-Weiß Essen feiern den Einzug ins Achtelfina­le des DFB-Pokals.

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