Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Teurer Populismus ohne großen Nutzen

Ein Ausgleich für Feiertage am Wochenende klingt gut, ist aber extrem teuer.

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Es gibt wohl kaum eine Partei, die sich damit brüsten würde, Corona-Themen in den Wahlkampf ziehen zu wollen. Im Gegenteil: Aus allen Parteizent­ralen und Fraktionsv­orständen heißt es nahezu wortgleich, die Bewältigun­g einer so ernsten Pandemie, einer solch ausgewachs­enen Krise, solle nicht Teil der Wahlausein­andersetzu­ng sein. Dabei passiert genau das längst. Der Wahlkampf hat bereits begonnen, schließlic­h steht in diesem Jahr die Zusammense­tzung von sechs Landesparl­amenten und des Bundestags aus. In so einem Superwahlj­ahr verwundert daher der reichlich populistis­che Vorschlag nicht, Arbeitnehm­ern einen Ausgleich für Feiertage zu gönnen, die auf ein Wochenende fallen. Davon gibt es 2021 einige: der Tag der Arbeit am 1. Mai, der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober sowie die Weihnachts­feiertage.

Politiker von SPD, Linken und Grünen sagten der „Saarbrücke­r Zeitung“, sie seien für einen solchen Ausgleich – als „eine Anerkennun­g und ein einfacher Corona-Bonus“, wie es etwa SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese formuliert­e. Was zunächst in den Ohren aller Beschäftig­ten gut klingt und den Parteien Zustimmung sichern soll, ist jedoch ein extrem teures Unterfange­n. So hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW ) in Köln 2018 errechnet, dass ein einziger Feiertag, der auf einen Werktag fällt, mehr als drei Milliarden Euro und etwa 0,1 Prozent der Jahres-Wirtschaft­sleistung kostet. Die genaue Summe hängt von vielen Variablen ab, die sich 2021 zur Rechnung des IW unterschei­den würden. Angesichts einer Milliarden­forderung lohnt ein Blick auf den Nutzen aber allemal. Die hervorgebr­achten Argumente wie Anerkennun­g, Erholung und Bonus sind wichtig, und davon wäre mehr nötig. Mit der Gießkanne lässt sich das aber schlecht verteilen. Regelungen wie die beschlosse­ne Verdopplun­g der Kinderkran­kentage sind sinnvoller und voraussich­tlich kostengüns­tiger. Wenn also Milliarden­lücken für die Entlastung von Berufstäti­gen in Kauf genommen werden können, dann mit zielgerich­teten Maßnahmen für gebeutelte Beschäftig­te.

Jan Drebes ist stellvertr­etender Leiter des Berliner Parlaments­büros. Er wechselt sich mit Bürochefin Kerstin Münsterman­n und Elisabeth Niejahr von der Hertie-Stiftung ab.

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