Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Draghi kann das – wenn man ihn lässt
Mario Draghi ist der richtige Mann für Italien. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank ist nicht nur ein profilierter Wirtschafts- und Finanzfachmann, sondern auch zweifellos geübt im Umgang mit der Politik. Draghis Aufgabe als Regierungschef wird vornehmlich sein, die mehr als 200 Milliarden Euro Hilfsgelder der EU zu kanalisieren – es handelt sich um ein Wiederaufbauprogramm wie nach einem Krieg. Draghi ist dieser für Italien wichtigen Aufgabe gewachsen. Als EZB-Chef hat er den Euro gerettet, nun kann er sich um sein Heimatland verdient machen.
Fraglich ist, wie weit ihn die Politik in Rom unterstützt. Zunächst muss Draghi eine Parlamentsmehrheit hinter sich versammeln und eine Koalition bilden. Da als Alternative die Neuwahl droht, dürfte der Versuch gelingen – viele Parlamentarier wissen, dass sie dann nicht wieder ins Parlament einzögen. Die eigentliche Herausforderung wird sein, eine von extrem unterschiedlichen Kräften getragene Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 zu führen.
Am Horizont zeichnet sich bereits ein aus der jüngsten Regierungskrise bekanntes Szenario ab. Ministerpräsident Giuseppe Conte musste gehen – weniger wegen fachlicher Mängel, sondern weil seine Führung von einem Koalitionspartner politisch nicht mehr als opportun eingeschätzt wurde. Für den wahrscheinlichen Fall, dass Draghi eine Mehrheit hinter sich versammeln kann, droht dieselbe Konsequenz: Der 73-Jährige wird seinen Job so lange machen können, wie die künftigen Koalitionspartner dies für angemessen halten. Draghis Zukunft hängt vom Verhalten der Parteien in Rom ab. Die Aussichten sind nicht gerade rosig. Die Parteien hatten vor allem ihr eigenes Wohl im Blick. Deshalb machte Italien zuletzt eine ausgesprochen schlechte Figur.