Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Fehlende Fehlerkultur
Geständnisse sind heikel. Doch wer ein Amt hat, muss für sein Tun geradestehen.
Viele können sich noch an den Augenblick erinnern, als sie zum ersten Mal einen Fehler zugegeben haben. Selbst wenn keine große Strafe droht, ist das ein schwieriger Moment, denn er hat mit der Einsicht zu tun, dass man enttäuscht hat – weil man gegen Regeln verstieß oder Erwartungen nicht erfüllte. Im Kern geht es um Selbsterkenntnis, um Scham, die Angst vor Liebesverlust. Denn niemand, der einen Fehler gesteht, weiß, wie die anderen reagieren. Darum sind auch Geständnisse in der Öffentlichkeit heikel. Menschen, die Verantwortung tragen und der Gesellschaft zu Rechenschaft verpflichtet sind, geben etwas aus der Hand, wenn sie Fehler einräumen: Sie können nicht steuern, wie die Öffentlichkeit reagiert, wie groß ihr Ansehensverlust ist, wie groß die Bereitschaft der anderen, den Fehler zu verzeihen. Trotzdem raten erfahrene Krisenmanager, Fehler zu benennen. Möglichst klar, möglichst schnell. Ohne andere an den Pranger zu stellen, ohne Ausflüchte, ohne Vertuschung. Nur dann können die Betroffenen sicher sein, dass das Problem erkannt ist und die Verantwortlichen ihre Verantwortung auch sehen. Erst dann hat das Eingeständnis reinigende Wirkung – und schafft Raum für neues Vertrauen. Wenn es Verantwortlichen häufig – vom Impfchaos bis zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche – trotzdem so schwer fällt, Fehler einzuräumen, hat das wohl mit Angst vor Machtverlust zu tun. Doch womöglich offenbart die fehlende Fehlerkultur auch, dass das Bewusstsein für Verantwortung Schaden genommen hat. Denn wer auf Vorgänger, Vorgesetzte, Kollegen verweist, auf die EU und von dort retour, der will Verantwortung nur tragen, wenn es gut läuft. Der will nur Privileg, nicht die Konsequenzen. Das ist menschlich. Wer hätte sich nicht schon in Ausflüchte gerettet? Aber es ist fatal, wenn man Verantwortung trägt. Geradestehen für sein Tun gehört dann zum Job.