Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Fehlende Fehlerkult­ur

- Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit Horst Thoren ab.

Geständnis­se sind heikel. Doch wer ein Amt hat, muss für sein Tun geradesteh­en.

Viele können sich noch an den Augenblick erinnern, als sie zum ersten Mal einen Fehler zugegeben haben. Selbst wenn keine große Strafe droht, ist das ein schwierige­r Moment, denn er hat mit der Einsicht zu tun, dass man enttäuscht hat – weil man gegen Regeln verstieß oder Erwartunge­n nicht erfüllte. Im Kern geht es um Selbsterke­nntnis, um Scham, die Angst vor Liebesverl­ust. Denn niemand, der einen Fehler gesteht, weiß, wie die anderen reagieren. Darum sind auch Geständnis­se in der Öffentlich­keit heikel. Menschen, die Verantwort­ung tragen und der Gesellscha­ft zu Rechenscha­ft verpflicht­et sind, geben etwas aus der Hand, wenn sie Fehler einräumen: Sie können nicht steuern, wie die Öffentlich­keit reagiert, wie groß ihr Ansehensve­rlust ist, wie groß die Bereitscha­ft der anderen, den Fehler zu verzeihen. Trotzdem raten erfahrene Krisenmana­ger, Fehler zu benennen. Möglichst klar, möglichst schnell. Ohne andere an den Pranger zu stellen, ohne Ausflüchte, ohne Vertuschun­g. Nur dann können die Betroffene­n sicher sein, dass das Problem erkannt ist und die Verantwort­lichen ihre Verantwort­ung auch sehen. Erst dann hat das Eingeständ­nis reinigende Wirkung – und schafft Raum für neues Vertrauen. Wenn es Verantwort­lichen häufig – vom Impfchaos bis zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche – trotzdem so schwer fällt, Fehler einzuräume­n, hat das wohl mit Angst vor Machtverlu­st zu tun. Doch womöglich offenbart die fehlende Fehlerkult­ur auch, dass das Bewusstsei­n für Verantwort­ung Schaden genommen hat. Denn wer auf Vorgänger, Vorgesetzt­e, Kollegen verweist, auf die EU und von dort retour, der will Verantwort­ung nur tragen, wenn es gut läuft. Der will nur Privileg, nicht die Konsequenz­en. Das ist menschlich. Wer hätte sich nicht schon in Ausflüchte gerettet? Aber es ist fatal, wenn man Verantwort­ung trägt. Geradesteh­en für sein Tun gehört dann zum Job.

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