Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Zwischen Kaschmir und Keksen
Ein Modehändler kämpft gegen Schlupflöcher in der Corona-Schutzverordnung.
WERMELSKIRCHEN Modehändler Jörg Michels hat 17 Jahre lang in Wermelskirchen die „Hochzeitsstraße“aufgebaut, die aus der Fernsehshow „Zwischen Tüll und Tränen“bundesweit bekannt ist. Jetzt sieht der Unternehmer, der nach eigenen Angaben während des Lockdowns monatlich 10.000 Euro Mietkosten stemmen muss, rot: „Die Hochzeitsstraße ist mein Baby, und das wird bedroht. Dagegen wehre ich mich“, sagt der Inhaber der Firma Sweetex aus Wermelskirchen.
In einem seiner Läden hat er deshalb zwischen Kaschmir-Pullis, Anzügen und Brautkleidern Regale mit Nudeln, Chips und Keksen aufgebaut, die er einmalig drei Stunden lang verkaufen will. Mit der ungewöhnlichen Aktion will er „darauf aufmerksam machen, wie leicht es ist, die Gesetzeslage zu umgehen“. Und einen verzweifelten Hilfeschrei an die Politik senden, der anders bisher nicht gehört worden sei: „Ohne fremde Mittel können Modegeschäfte nicht mehr durchhalten“, warnt er. „Uns steht das Wasser bis zur Oberlippe.“
Die Lebensmittel-Discounter hingegen profitieren noch zusätzlich von der Situation. „Die Märkte produzieren sogar mehr Klamotten, weil sie die Nische sehen und das Geld haben, um Frühjahrsmode zu bestellen“, sagt Michels. „Modische Einzelhändler wie ich haben dafür kein Geld, weil wir noch auf der Wintermode sitzen, die keiner mehr will, die wir aber bezahlt haben. Da könnte ich nur noch reduzieren, bis das Blut spritzt.“
Die ungewöhnliche Aktion von Jörg Michels findet Anklang in der Kleinstadt im Bergischen Land: „Es ist mutig, dass er wachrütteln will. Sonst fallen wir Kleinen hinten runter, weil die ganz oben scheinbar nicht wissen, was hier passiert“, sagt Kundin Anke Janke.