Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Flirten mit angezogene­r Handbremse

- VON PHILIPP HOLSTEIN

In der Serie „State Of The Union“schaut man beim Aufbruch zur Eheberatun­g zu.

Nach spätestens drei Episoden möchte man nicht mehr nur zuhören und zuschauen, sondern eingreifen: einen von beiden nehmen und schütteln, meistens ihn. Man würde gerne sagen: Ihr mögt euch doch immer noch, also was?! Aber das geht nicht, es ist bloß Fernsehen.

„State Of The Union“heißt diese tolle Serie in zehn Teilen, die in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Stephen Frears hat sie inszeniert, der Regisseur von „High Fidelity“und „The Queen“. Nick Hornby („About A Boy“) schrieb die Dialoge, und er schreibt großartige Dialoge: „Tja, ich liebe dich.“– „Welche Bedeutung hat das ,Tja’ in dem Satz? ,Tja’ wird schnell zu einem gefährlich­en Wort.“

Die Produktion ist eigentlich eine Theaterins­zenierung, ein Kammerspie­l. Es geht um Louise und Tom, und man trifft sie stets nachmittag­s im Pub, von wo aus sie in die gegenüberl­iegende Praxis der Eheberater­in aufbrechen. Tom ist ein arbeitslos­er Musikkriti­ker, Louise Gerontolog­in, und weil er nicht mehr mit ihr schlafen mochte, ging sie ihm fremd. Diese Vorab-Treffen sind die eigentlich­e Therapie, der Ton ist heiter bis zynisch, bitter und lustig: „Aber wir haben doch zwei Kinder.

Und ,Game Of Thrones’.“Der Zuschauer schließt die beiden schnell ins Herz: Sie ist eine Musterschü­lerin mit Abgründen, er ein grantelnde­r Schluffi. Die schönsten Stellen sind jene, in denen die beiden miteinande­r schäkern. Wenn sie diskutiere­n, ob Leidenscha­ft eher ein Kugelschre­iber ist, den man nicht mehr sucht, wenn man ihn verliert. Oder ein Schlüssel, den man auf jeden Fall wiederfind­en möchte. Sie einigen sich darauf: „Unsere sexuelle Beziehung ist wie Usain Bolt mit Sehnenzerr­ung: Sie pausiert.“

Rosamund Pike und Chris O’Dowd spielen das charmant. Und den Running Gag der ersten Folgen liefert das Paar, das vor den beiden bei der Beratung ist. Man sieht es durchs Pub-Fenster beim Verlassen der Praxis; es ist immer ein großes Schauspiel mit Tränen und einmal sogar einem Wutausbruc­h. In der Abgrenzung sind sich Louise und Tom einig wie lange nicht: „Wir beide sind besser dran als die zwei.“

Einmal schubst Louise den störrische­n Tom auf dem Weg hinüber zur Praxis. Der fällt theatralis­ch und bestellt sich später einen Gipsverban­d im Internet, um bei der Eheberatun­g angeben zu können, sein Arm sei gebrochen. So geht es hin und her, und herrlich ist jene Stelle, in der sie einem befreundet­en Paar begegnen, das fragt, ob man nicht zusammen etwas trinken wolle. Antwort Tom: „Wir gehen zur Eheberatun­g. Der übliche Seitenspru­ng. Nicht von mir.“

„State Of The Union“ist mehr als ein in Häppchen zerteilter Spielfilm. Das Format funktionie­rt als cineastisc­he Pralinenpa­ckung. Und gerade als man denkt, man muss die beiden gar nicht mehr schütteln, weil sie es nun selbst begreifen, verzweifel­t man doch wieder. Tom: „Wir gegen die Welt?“Louise: „Was hat die Welt uns je angetan? Wir sind nicht Romeo und Julia.“

Seid ihr doch, Dear!

Info „State Of The Union“ist in der ARD-Mediathek zu sehen.

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FOTO: HOM/OBS Rosamund Pike spielt Louise, und Chris O’Dowd ist Tom.

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