Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Flirten mit angezogener Handbremse
In der Serie „State Of The Union“schaut man beim Aufbruch zur Eheberatung zu.
Nach spätestens drei Episoden möchte man nicht mehr nur zuhören und zuschauen, sondern eingreifen: einen von beiden nehmen und schütteln, meistens ihn. Man würde gerne sagen: Ihr mögt euch doch immer noch, also was?! Aber das geht nicht, es ist bloß Fernsehen.
„State Of The Union“heißt diese tolle Serie in zehn Teilen, die in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Stephen Frears hat sie inszeniert, der Regisseur von „High Fidelity“und „The Queen“. Nick Hornby („About A Boy“) schrieb die Dialoge, und er schreibt großartige Dialoge: „Tja, ich liebe dich.“– „Welche Bedeutung hat das ,Tja’ in dem Satz? ,Tja’ wird schnell zu einem gefährlichen Wort.“
Die Produktion ist eigentlich eine Theaterinszenierung, ein Kammerspiel. Es geht um Louise und Tom, und man trifft sie stets nachmittags im Pub, von wo aus sie in die gegenüberliegende Praxis der Eheberaterin aufbrechen. Tom ist ein arbeitsloser Musikkritiker, Louise Gerontologin, und weil er nicht mehr mit ihr schlafen mochte, ging sie ihm fremd. Diese Vorab-Treffen sind die eigentliche Therapie, der Ton ist heiter bis zynisch, bitter und lustig: „Aber wir haben doch zwei Kinder.
Und ,Game Of Thrones’.“Der Zuschauer schließt die beiden schnell ins Herz: Sie ist eine Musterschülerin mit Abgründen, er ein grantelnder Schluffi. Die schönsten Stellen sind jene, in denen die beiden miteinander schäkern. Wenn sie diskutieren, ob Leidenschaft eher ein Kugelschreiber ist, den man nicht mehr sucht, wenn man ihn verliert. Oder ein Schlüssel, den man auf jeden Fall wiederfinden möchte. Sie einigen sich darauf: „Unsere sexuelle Beziehung ist wie Usain Bolt mit Sehnenzerrung: Sie pausiert.“
Rosamund Pike und Chris O’Dowd spielen das charmant. Und den Running Gag der ersten Folgen liefert das Paar, das vor den beiden bei der Beratung ist. Man sieht es durchs Pub-Fenster beim Verlassen der Praxis; es ist immer ein großes Schauspiel mit Tränen und einmal sogar einem Wutausbruch. In der Abgrenzung sind sich Louise und Tom einig wie lange nicht: „Wir beide sind besser dran als die zwei.“
Einmal schubst Louise den störrischen Tom auf dem Weg hinüber zur Praxis. Der fällt theatralisch und bestellt sich später einen Gipsverband im Internet, um bei der Eheberatung angeben zu können, sein Arm sei gebrochen. So geht es hin und her, und herrlich ist jene Stelle, in der sie einem befreundeten Paar begegnen, das fragt, ob man nicht zusammen etwas trinken wolle. Antwort Tom: „Wir gehen zur Eheberatung. Der übliche Seitensprung. Nicht von mir.“
„State Of The Union“ist mehr als ein in Häppchen zerteilter Spielfilm. Das Format funktioniert als cineastische Pralinenpackung. Und gerade als man denkt, man muss die beiden gar nicht mehr schütteln, weil sie es nun selbst begreifen, verzweifelt man doch wieder. Tom: „Wir gegen die Welt?“Louise: „Was hat die Welt uns je angetan? Wir sind nicht Romeo und Julia.“
Seid ihr doch, Dear!
Info „State Of The Union“ist in der ARD-Mediathek zu sehen.