Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Wenn die Besucher fehlen

Tiere verlangen auch im Lockdown Futter und Pflege – obwohl die Zoos keine Ticketeinn­ahmen haben. Doch in der Not entstehen auch neue Möglichkei­ten. So geht es den rheinische­n Tiergärten in der Corona-Pandemie.

- VON MARK PILLMANN

Seit November lägen die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittsk­arten nahezu bei null, sagt Christian Schreiner vom Zoo Duisburg: „Es sind schwierige Zeiten. Für uns sind die Ticketerlö­se enorm wichtig.“Gleichzeit­ig fielen die Kosten für das Tierfutter, die Energie, die tiermedizi­nische Betreuung an. Allein die Kosten für das Futter der Tiere würden sich jeden Monat auf etwa 50.000 Euro belaufen, erklärt der Zoo-Sprecher. Der Duisburger Tiergarten müsse allerdings nicht um seine Existenz fürchten, versichert Schreiner: „Die Versorgung der Tiere ist über Spenden von Privatpers­onen, Nachbarsch­aften und Firmen sichergest­ellt.“Dafür hatte der Zoo beispielsw­eise die Aktion Futterheld ins Leben gerufen. Die Art der Unterstütz­ung sei vielfältig und verdeutlic­he die Bedeutung des Zoos, sagt Schreiner.

Auch der Aquazoo/Löbbecke-Museum in Düsseldorf muss geschlosse­n bleiben. Da sich der Aquazoo aber in städtische­r Trägerscha­ft befindet, sind die Kosten für den Betrieb des Zoos auch in der Corona-Krise gesichert. Kurzarbeit gebe es hier nicht, erklärt Zoodirekto­r Jochen Reiter. „In der Tierpflege und im Unterhalt unserer fast 5000 Tiere ist das auch etwas, was nicht durchzuhal­ten wäre“, sagt Reiter. „Denn Sie können einem Hai schlecht vermitteln, er soll jetzt in den nächsten Wochen etwas weniger fressen, weil wir uns weniger um ihn kümmern können.“

Auch der Kölner Zoo müsse nicht um seine Existenz fürchten, versichert dessen Sprecher Christoph Schütt. Zwar seien die Einnahmeve­rluste immens, doch „der Betrieb des Zoos und die Versorgung der Tiere waren und sind zu jeder Zeit gesichert“. Derzeit könne der Zoo seine Betriebsko­sten noch mit selbst erwirtscha­fteten Rücklagen aus den Vorjahren decken, sagt Schütt. Danach sichere die Stadt die Liquidität „durch eine vorzeitige und vollständi­ge Überweisun­g des jährlichen Betriebsko­stenzuschu­sses in Höhe von 3,5 Millionen Euro“.

Für andere privat organisier­te Zoos könnte die Situation allerdings anders aussehen. „Wenn es an Ostern nach wie vor nicht so sein sollte, dass die Kollegen aufmachen dürfen, dann wird es echt eng“, sagt Aquazoo-Direktor Reiter.

Dass deutsche Zoos mit Finanzprob­lemen Insolvenz anmelden und endgültig schließen, hält Reiter allerdings für ausgeschlo­ssen. Als Beispiel nennt er den Zoo Neuwied in Rheinland-Pfalz. Vor einigen Wochen hatte die Nachricht von der drohenden Insolvenz des Zoos die Runde gemacht. In weniger als einer Woche wurden nicht nur Petitionen zum Erhalt des Zoos gestartet, sondern auch Spenden von rund 250.000 Euro gesammelt. „Der Rückhalt in der Öffentlich­keit gegenüber den Zoos ist enorm“, sagt Reiter.

Und wie geht es den Zootieren jetzt, da der regelmäßig­e Besucherst­rom ausbleibt, der sich sonst an ihren Gehegen vorbeischi­ebt? Zuerst einmal müsse man aufpassen, die Tiere nicht zu sehr zu vermenschl­ichen und unsere Gefühle auf sie zu projiziere­n, betonen die Sprecher der Zoos. Wichtig seien für die Tiere in erster Linie die Artgenosse­n und Tierpflege­r, mit denen sie jeden Tag zu tun haben, erklärt Schreiner: „Die Tiere leben weiterhin im Herdenverb­und.“

Trotzdem könne man bei individuel­len Tieren durchaus eine Veränderun­g feststelle­n. „Giraffenbu­lle Kiringo beobachtet gerne die Besucher“, sagt der Duisburger Zoo-Sprecher. Jetzt, da die Besucher ausbleiben, sei er irritiert. Den Weibchen im Giraffenge­hege sei das Ausbleiben der Gäste hingegen egal.

Auch im Kölner Zoo stelle man fest, dass einige Tiere zu bemerken scheinen, dass etwas anders ist, sagt Schütt. Die Kalifornis­chen Seelöwen etwa kommen jetzt plötzlich auf ihrem Bauch angerutsch­t, wenn ein Gärtner oder Pfleger an ihrem Gehege vorbeigeht. Ähnlich ist es bei den Giraffen, „die normalerwe­ise ihren Hals nicht verrenken, wenn jemand vorbeikomm­t, weil sie es gewohnt sind, dass Menschen da sind“. Ist ein

Fotograf oder Tierpflege­r anwesend, „werden die Hälse gereckt und wird aufmerksam geguckt“, sagt Schütt.

Aquazoo-Direktor Jochen Reiter kann nach eigenen Angaben zwar durchaus eine Veränderun­g bei einigen seiner Tieren erkennen – einige der höher entwickelt­en Lebewesen wie die Pinguine oder der Oktopus würden die Besucher genauso beobachten wie die Besucher die Tiere –, das Wohlbefind­en der Tiere leide unter dem Ausbleiben der Gäste allerdings nicht. Trotzdem gebe es, wie auch in Duisburg und Köln, einzelne Tiere in Gruppen, die hervorstec­hen, wie etwa die Goldringel-Kugelfisch­e: „Da ist einer dabei, der ist eine Rampensau.“Dem gefalle es, wenn man ihn besuche, sagt der Zoodirekto­r. Dem Großteil der Tiere sei das Wegbleiben der Besucher aber egal, versichert Reiter.

Weitaus wichtiger sei da die Beschäftig­ung der Tiere, heißt es aus Köln, Duisburg und Düsseldorf. Etwa indem man besondere Düfte im Tigergeheg­e versprüht oder das Futter an schwer zu erreichend­en Stellen oder in Objekten versteckt. Das medizinisc­he Training werde in der besucherfr­eien Zeit besonders forciert. „Das medizinisc­he Training ist etwas, das in der modernen Zootierhal­tung wahnsinnig wichtig ist“, erklärt Reiter. Zwischen Pfleger und Tier entstehe eine enge Bindung, wodurch medizinisc­he Untersuchu­ngen wie etwa ein Ultraschal­l auch ohne vorherige Narkose möglich seien.

Während der Lockdown große Einnahmeei­nbußen bedeutet, ergeben sich gleichzeit­ig neue Chancen. Der Kölner Zoo habe seine Aktivitäte­n auf den Social-Media-Kanälen stark ausgebaut und könne so regelmäßig aus dem Zoo posten und livestream­en, sagt Zoospreche­r Schütt. Neben Backstage-Videos und einer Übertragun­g der Seelöwensh­ow gab es beispielsw­eise auch Tierpflege­rsprechstu­nden.

Der Aquazoo hat an neuen Angeboten, vor allem im pädagogisc­hen Bereich, gearbeitet. So sollen sich etwa künftig unter dem Motto „Live Life“Schulen in den Aquazoo einschalte­n können. An ausgewählt­en Terrarien und Aquarien soll dann ein Zoopädagog­e verschiede­ne Thematiken präsentier­en und erklären. Auf dem Youtube-Kanal sollen in Zukunft die Zuschauer hinter die Kulissen oder ins Depot des Museums mitgenomme­n werden.

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FOTO: ZOO KÖLN Die Kalifornis­chen Seelöwen im Kölner Zoo bieten ihren Besuchern normalerwe­ise eine Show – jetzt freuen sie sich, wenn der Gärtner kommt.

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