Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Der Staat als Girokonten-Schiedsrichter
Finanzminister Olaf Scholz erwägt, das von der EU vorgeschriebene Online-Vergleichsportal für Kontogebühren, Dispo- und Negativzinsen staatlich zu betreiben. Auf den 107 Millionen deutschen Girokonten liegen 1,7 Billionen Euro.
BERLIN Nach dem Scheitern des bisher einzigen kostenlosen Online-Verbraucherportals für den Vergleich von Girokonten erwägt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nun, das Portal zu verstaatlichen. „Auch die Einrichtung eines staatlichen Vergleichsportals stellt eine der in Prüfung befindlichen Optionen dar“, heißt es in der Antwort des Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach prüft das Ministerium derzeit unter großem Zeitdruck, wie das Mitte Januar abgeschaltete Internet-Vergleichsportal für Girokonten von Check24 rasch ersetzt werden kann. Dabei ist neben privaten Lösungen ausdrücklich auch der Staat als Betreiber eine Option.
Die EU-Kommission drängt Deutschland bereits seit Jahren, den Verbrauchern einen neutralen und kostenlosen Girokonten-Vergleich online zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen Kontogebühren, Dispozinsen, Kreditkartenkosten und sonstige Konditionen der Girokonten möglichst aller in Deutschland tätigen Geldinstitute transparent und vergleichbar werden. Die Anhebung der Kontogebühren in den vergangenen Jahren und die Einführung von Negativzinsen bei vielen Banken haben bei Verbrauchern zu Verunsicherung, Unmut und Frustrationen geführt.
Nur gut fünf Monate nach dem Start des bisher einzigen neutralen Online-Vergleichs hatte Check 24 seine nicht-kommerzielle Internet-Seite zum kostenlosem Vergleich von Girokonto-Gebühren eingestellt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte wegen unzureichender Marktabdeckung gegen die vom Tüv Saarland zertifizierte Seite von Check24 geklagt. Das gewählte Modell zur Umsetzung einer EU-Richtlinie, das Bankkunden mehr Durchblick im Gebührendschungel
bieten sollte, hatte von Anfang an für Diskussion gesorgt. Denn das Portal von Check 24 bildete nur etwa ein Drittel aller Girokonten-Angebote in Deutschland und jeweils auch nur ein Kontomodell pro Kreditinstitut ab. „Vor dem Hintergrund, dass Check 24 am 18. Januar 2021 den Betrieb der gegenwärtig einzigen zertifizierten Vergleichswebseite eingestellt hat, arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck daran, eine neue Vergleichswebseite auf den Weg zu bringen. Dazu prüft die Bundesregierung derzeit unterschiedliche Optionen“, heißt es in der Antwort des Finanzministeriums. Dabei liegt auch die rein staatliche Version neben der Vergabe an private Anbieter auf dem Tisch.
Verbraucherschützer erwarten, dass die Frankfurter Finanzaufsichtsbehörde Bafin oder die Stiftung Warentest das Vergleichsportal im Internet übernehmen könnten. „Die SPD will in Wahrheit ein staatliches Vergleichsportal und hat alle privaten Initiativen erfolgreich im Keim erstickt. Die Zeche zahlt am Ende der Verbraucher“, kritisierte der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler.
Der Anteil der Geldinstitute, die in Deutschland Negativzinsen für Guthaben auf Konten von privaten Haushalten erheben, ist der Antwort zufolge „in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und lag zuletzt (November 2020) nach Angaben der Bundesbank bei etwa 40 Prozent“. Die Summe der Sichteinlagen bei diesen Instituten entspreche etwa 34 Prozent des gesamten Sichteinlagenvolumens von privaten Haushalten bei deutschen Banken, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die FDP-Anfrage.
Ende vorvergangenen Jahres wurden der Bundesbank knapp 107,8 Millionen Girokonten von rund 1400 Instituten in Deutschland gemeldet, heißt es in dem Papier. Im November 2020 lag das Volumen auf diesen Girokonten bei rund 1703 Milliarden Euro und damit um 155 Milliarden oder zehn Prozent höher als noch im Dezember 2019, heißt es in dem Papier des Ministeriums.