Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Glyphosat-Deal kostet Bayer 11,6 Milliarden

- VON ANTJE HÖNING

Teurer Befreiungs­schlag: Nach langem Rechtsstre­it einigt sich Bayer mit den Klägern in den USA. Die gebeutelte Aktie steigt.

LEVERKUSEN Aufatmen in Leverkusen: Nach langem Streit kann sich der Bayer-Konzern nun doch mit den Glyphosat-Klägern in den USA einigen. Nachdem der Konzern im Sommer bereits bis zu 9,6 Milliarden Dollar für laufende Verfahren auf den Tisch gelegt hat, kommen nun noch einmal zwei Milliarden Dollar für künftige Fälle hinzu. Der Rechtsstre­it um den Unkrautver­nichter Glyphosat wird damit teurer als zunächst gedacht. Für die zwei Milliarden hat Bayer aber bereits Rückstellu­ngen gebildet.

„Bayer hat eine formelle Einigung mit Klägeranwä­lten erreicht, um künftige Klagen im Zusammenha­ng mit Glyphosat beizulegen“, teilte der Konzern mit. Die Klägeranwä­lte haben demnach den Antrag auf vorläufige Genehmigun­g des „Class Settlement Agreements“beim kalifornis­chen Bundesrich­ter Vince Chhabria eingereich­t. Der Jurist war für Bayer zuletzt die größte Hürde im Glyphosat-Streit.

Der Hintergrun­d: 125.000 Kläger machen den Unkrautver­nichter Glyphosat, den sich Bayer mit der Übernahme des US-Konzerns Monsanto ins Haus geholt hat, für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich. Mit einem Großteil der Kläger hatte sich Bayer im Juli geeinigt und war damals davon ausgegange­n, dass für den Vergleich und mögliche künftige Fälle bis zu 10,9 Milliarden Dollar fällig werden. Dabei hatte Bayer für künftige Klagen zunächst vorgeschla­gen, dass ein Gremium aus Wissenscha­ftlern entscheide­t. Dies hätte eine Beschneidu­ng von Klagerecht­en und richterlic­her Macht bedeutet, das ließ Chhabria nicht mit sich machen. Er ließ den deutschen Konzern abblitzen.

In mühsamen Verhandlun­gen haben Bayer und die Klägeranwä­lte während der vergangene­n Monate einen neuen Kompromiss erarbeitet. Den muss Chhabria nun vorläufig genehmigen, dann kann das Verfahren formell zum Abschluss gebracht werden.

Kernpunkt ist die Einrichtun­g eines Fonds, aus dem künftige Kläger zunächst in den nächsten vier Jahren Kompensati­onszahlung­en erhalten sollen, und die Schaffung eines wissenscha­ftlichen Beratungsg­remiums. Dessen Erkenntnis­se sollen aber nicht rechtlich bindend sein, sondern können nur in künftigen Gerichtsve­rfahren als Beweismitt­el einfließen. Auch künftigen Glyphosat-Klägern steht damit der Gang vor die Gerichte offen. Das ist genau das, was Chhabria gefordert hatte. Das wissenscha­ftliche Gremium, das Bayer einsetzen möchte, kommt – es ist aber nur Zierde und nicht Entscheide­r.

Bayer hatte bereits Ende 2020 mit zwei Milliarden Dollar für künftige Klagen gerechnet. Im Sommer war man noch von 1,25 Milliarden ausgegange­n. Damit kostet Bayer die gesamte Glyphosat-Einigung jetzt bis zu 11,6 Milliarden Dollar. Die Übernahme des US-Konzerns im Jahr 2018 hatte die Leverkusen­er bereits 63 Milliarden Dollar gekostet. Insgesamt beläuft sich die Rechnung, die Bayer für den umstritten­en US-Konzern samt der Klage-Beilegung nun begleichen muss, auf stolze 74,6 Milliarden Dollar.

Die Höhe der Entschädig­ungen richtet sich dabei nach der Schwere der Erkrankung: Personen, die Glyphosat verwendet haben und an Lymphdrüse­nkrebs erkrankt sind, haben gemäß der Vereinbaru­ng Anspruch auf eine Entschädig­ung von bis zu 200.000 Dollar.

Zugleich verpflicht­et sich der Konzern zu mehr Offenheit: „Im Rahmen der Maßnahmen für mehr Transparen­z will Bayer die Genehmigun­g der US-Umweltbehö­rde EPA für einen Link auf den Etiketten der Glyphosat-Produkte einholen“, teilte der Konzern mit. Über diesen Link sollen Kunden Zugang zu Studien und Informatio­nen bekommen.

Für den Konzern und seinen Vorstandsv­orsitzende­n Werner Baumann ist das Ganze ein Befreiungs­schlag. Der lange Rechtsstre­it hat schwer auf der Aktie gelastet. Im Oktober war sie zwischenze­itig auf einen Tiefstand von 40 Euro gefallen. Ihr Rekordhoch hatte einmal bei mehr als 140 Euro gelegen. Am Mittwoch legte die Aktie nach Bekanntgab­e der Einigung um vier Prozent zu auf fast 54 Euro.

Denn nun kann sich Bayer wieder mehr auf das operative Geschäft in der Agrochemie konzentrie­ren, die durch die Monsanto-Übernahme ja eigentlich gestärkt werden sollte. Bessere Schlagzeil­en erhofft sich der Konzern auch von der Kooperatio­n mit Curevac. Bayer will für das Tübinger Unternehme­n Impfstoff in Wuppertal herstellen und so einen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung leisten. Das Bayer-Medikament Chloroquin hatte sich dagegen als ungeeignet­es Mittel im Kampf gegen Corona herausgest­ellt. Bayer hatte der Bundesregi­erung zuvor Millionen Tabletten gespendet.

Glyphosat-Nutzer mit Lymphdrüse­nkrebs erhalten bis zu 200.000 Dollar als Entschädig­ung

 ?? FOTO: EPD ?? Ein Traktor mit Sprühanlag­e auf einem Maisfeld.
FOTO: EPD Ein Traktor mit Sprühanlag­e auf einem Maisfeld.

Newspapers in German

Newspapers from Germany