Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Von der Leyen hat Fehler gemacht
Delegieren ist eine hohe Führungstugend. Eine Mannschaft erreicht mehr als ein Kapitän allein. Doch am Ende steht auf der Brücke dann doch nur einer, der die Entscheidungen trifft – besonders dann, wenn es ums Kentern oder Überleben geht. Das ist ein etwas dramatisches Bild, zugegeben. Doch in der Frage der Impfstoffbeschaffung gegen das Coronavirus geht es für Europa auch um Rettung. Rettung von Leben und Rettung von wirtschaftlichen Existenzen. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, hat falsch gehandelt. Die Medizinerin hätte die Impfstoffe zur Chefsache machen müssen. Stattdessen überließ sie monatelang Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides die Geschäfte – deren Kompetenz nicht den besten Ruf genießt.
Von der Leyen startete nun einen Erklärungsversuch: Man habe sich zu spät auf die Impfstoffproduktion fokussiert. Die Wissenschaft habe die Industrie überholt. Da stellt sich dann aber doch die Frage, warum Brüssel Biontech mit viel Geld förderte, aber offenbar keinen Gedanken an die Herstellung verwendete. Auch das Abwälzen der Probleme allein auf die Verträge mit den Unternehmern war kein kluger Schachzug – in keinerlei Hinsicht. Die Idee, Exportkontrollen an der EU-Grenze zu Nordirland einzuführen, gehört ebenfalls zur traurigen Begleitmusik der Brüsseler Rechtfertigungen. Politisch überwölbt wurde das Handeln der Kommission von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Sich dem Vorwurf auszusetzen, vor allem im nationalen Interesse zu handeln, das wollte man auf jeden Fall verhindern. Doch man hätte vonseiten der deutschen Regierung nachhaken müssen, beständig und kritisch. Die Bedenken, dass es vielleicht nicht rund läuft, hat es intern gegeben. Man hätte auf sie hören sollen.
BERICHT 8,7 MILLIONEN MASKEN FÜR BEDÜRFTIGE, TITELSEITE