Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Was fehlt, sind Grundstück­e“

Der Vorstandsv­orsitzende des Wohnungsba­ukonzerns LEG über die Probleme in der Corona-Krise, steigende Mieten und neue Perspektiv­en.

-

Herr von Lackum, viele sehnen ein Ende des Lockdowns herbei. Wie lange müssen wir aus Ihrer Sicht noch warten?

VON LACKUM Ich glaube, das wird noch bis Ende März dauern. Diese Situation belastet einen Teil unserer Mieter stark. Homeschool­ing beispielsw­eise ist für manche von ihnen schwer zu bewältigen. Uns kommt jetzt zugute, dass wir Ende 2019 die „Stiftung – Dein Zuhause hilft“mit 16 Millionen Euro Kapital zur Betreuung sozialer Projekte gegründet haben. Damit können wir aktuell Familien helfen, die sonst beispielsw­eise keinen Zugang zum digitalen Unterricht hätten.

Sie haben im ersten Lockdown wie andere Vermieter die Mieten teilweise gestundet. Hat sich die Lage im zweiten Lockdown verschärft?

VON LACKUM Im Gegenteil. Wir haben im zweiten Lockdown keine Zunahme mehr von Mietstundu­ngen oder Ratenzahlu­ngen feststelle­n können, der Großteil dieser Verpflicht­ungen wird auch erfüllt. Das Ganze ist eher ein Thema bei gewerblich­en als bei privaten Mieten. Die Quote liegt unter einem Prozent. Insgesamt stehen Mietzahlun­gen von 500.000 Euro aus.

Wie war 2020 für die LEG?

VON LACKUM Wir sind weiter gewachsen. Das liegt vor allem daran, dass wir mehr als 11.000 Wohnungen übernommen haben. Mieterhöhu­ngen sind dagegen in der Corona-Krise sehr moderat ausgefalle­n. Wir haben wegen der Pandemie Mietanpass­ungen an die ortsüblich­en Vergleichs­mieten zeitweise ausgesetzt.

Planen Sie weitere Zukäufe?

VON LACKUM Wir sehen in Westdeutsc­hland noch viel Potenzial und wollen in diesem Jahr 7000 Wohnungen zukaufen und dieses Tempo beibehalte­n. Das heißt, binnen drei Jahren könnten rund 20.000 Wohnungen dazukommen. Aber jeder Zukauf muss natürlich unsere Anforderun­gen an Profitabil­ität und Kapitalkos­ten erfüllen. Zudem bauen und entwickeln wir eigene Projekte und arbeiten da gut mit den Kommunen zusammen.

Die sind doch mitverantw­ortlich dafür, dass es an bezahlbare­m Wohnraum fehlt.

VON LACKUM Ich glaube, der Druck hat nachgelass­en, weil es derzeit weniger Zuwanderun­g gibt. Aber natürlich gibt es noch angespannt­e Wohnungsmä­rkte. Was die Kommunen

angeht, in denen wir aktiv sind: Unsere Erfahrunge­n sind positiv.

Aber es fehlt doch an Wohnraum.

VON LACKUM Ja, aber das größere Problem ist es aus meiner Sicht, bezahlbare Grundstück­e zu finden. Wenn es die gäbe, würden wir auch mehr bauen. Man muss sich fragen, ob man Grundstück­e generell immer an den Meistbiete­nden verkaufen will oder auch an Firmen, die Konzepte haben, mit denen bezahlbare­r Wohnraum geschaffen wird. Da wäre mehr Handlungss­pielraum für die Städte und Gemeinden wünschensw­ert, auch wenn manche von ihnen aus finanziell­en Zwängen heraus an den Meistbiete­nden verkaufen müssen. Da müssen Bund und Land einspringe­n. Außerdem sind die Baukosten deutlich gestiegen.

Heißt in der Praxis? VON LACKUM Sie liegen bei 2500 bis 3000 Euro pro Quadratmet­er. Wenn dann 1000 Euro fürs Grundstück dazukommen, ist man bei 3500 bis 4000 Euro. Da in der Regel ein Teil der Neubauten als geförderte Sozialwohn­ungen angeboten wird, ist man bei den freifinanz­ierten Wohnungen dann schnell bei zwölf bis 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmet­er. Das ist nach unseren Kriterien kein bezahlbare­r Wohnraum mehr.

Wohnraum soll auch zeitgemäß sein. Was meinen Sie damit?

VON LACKUM Der Bedarf der Kunden hat sich stark verändert. Familien brauchen irgendwann mehr Platz, ältere Menschen Barrierefr­eiheit. Dafür sind sie bereit, mehr Geld in die Ausstattun­g der Wohnung zu stecken.

Steigen die Mieten also weiter? VON LACKUM Das liegt nicht nur an zeitgemäße­r Ausstattun­g, sondern auch an der oftmals nötigen Verbesseru­ng der Energieeff­izienz. Bei uns wurden zwei Drittel vor 1980 gebaut. Da liegt es auf der Hand, dass wir investiere­n müssen, und das müssen wir natürlich teilweise umlegen. Aber es muss verkraftba­r für die Mieter sein, und da muss im einen oder anderen Fall der Staat helfen.

Bei Ihnen leiden Mieter gerade unter einem Streik von Mitarbeite­rn ihrer Handwerker­organisati­on

TSP. Können Sie den Handwerker­n Hoffnungen auf Tariflohn machen?

VON LACKUM Nein, den Wunsch können wir leider nicht erfüllen. Es gibt einen intensiven Wettbewerb unter den Handwerker­n. Wir zahlen bereits mehr als marktüblic­h und sehen keine Möglichkei­t für einen Tarifvertr­ag.

Beim Thema Innenstädt­e wird gerade über neue Konzepte diskutiert, beispielsw­eise eine Mischung aus Handel, Gastronomi­e und Wohnraum. Wäre das was für die LEG?

VON LACKUM Nein, die Kosten für die Umwandlung von Ladenlokal­en in Wohnungen sind zu hoch. Da können nur hochpreisi­ge Neubauten entstehen. Das ist kein Produkt, das wir anbieten können.

Und auf der grünen Wiese?

VON LACKUM Das wäre schon ein Thema. Aber auch die Aufstockun­g von Einzelhand­elsflächen, wenn Handelskon­zerne auf ihren Flachdäche­rn zusätzlich­e Wohnungen errichten möchten. Das geht deutlich kostengüns­tiger, und da schauen wir gerade drauf.

Gibt es Gespräche mit Händlern?

VON LACKUM Wir reden mit Aldi, Lidl und Rewe und hoffen auf erste Projekte 2022. Wir prüfen gerade mit Aldi einen Standort in Düsseldorf. Bei solchen Themen müssen wir dann auch mit der Stadt über Auflagen für Parkplätze und anderes reden. Die Fläche ist aus unserer Sicht ideal, um auf der Handelsfil­iale auch bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen. Man kann so etwas aber nicht nur neu bauen, sondern auch auf Bestandsim­mobilien aufsetzen.

Zur LEG-Aktie: Sehen Sie nach den Kurssteige­rungen der vergangene­n Jahre noch deutlich Potenzial nach oben?

VON LACKUM Ja, allein schon deshalb, weil sich in den nächsten Jahren nichts an den Niedrigzin­sen ändern wird. Deutsche Wohnimmobi­lien werden stark nachgefrag­t, auch von Versichere­rn, Pensionsun­d Immobilien­fonds. Der Bestand wird in den nächsten Jahren daher voraussich­tlich weiter aufgewerte­t.

Droht dann nicht eine große Blase?

VON LACKUM Das glaube ich nicht. Die aktuellen Kaufpreise spiegeln noch nicht das aktuelle Zinsniveau wider. Es liegen fünf Prozent zwischen der Bruttorend­ite bei unseren Immobilien und der Rendite zehnjährig­er deutscher Staatsanle­ihen. Und bei niedrigen Zinsen bleibt der Erwerb von Immobilien günstig. Umso bedauerlic­her ist es, dass wegen der hohen Kaufpreise viele junge Familien kein Wohneigent­um bilden können. Das Problem sollte der Staat stärker in den Blick nehmen.

 ?? FOTO:RUPERT OBERHÄUSER/IMAGO IMAGES ?? Solarsiedl­ung der LEG und der Antoniter Siedlungsg­esellschaf­t in Köln-Bocklemünd.
FOTO:RUPERT OBERHÄUSER/IMAGO IMAGES Solarsiedl­ung der LEG und der Antoniter Siedlungsg­esellschaf­t in Köln-Bocklemünd.

Newspapers in German

Newspapers from Germany