Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Welcher Quarterbac­k entscheide­t das Generation­enduell beim Super Bowl für sich? Eine Einschätzu­ng.

AMERICAN FOOTBALLTa­mpa Bay und Titelverte­idiger Kansas City bestreiten in der Nacht auf Montag das 55. NFL-Finale. Dabei kommt es zum Generation­enduell der Spielmache­r. Was für Patrick Mahomes spricht und was für Tom Brady.

- VON STEFAN JANSSEN VON TIM KRONNER

Kein Team beherrscht es dermaßen gut, Raumgewinn sowie Punkte zu erzielen und es dabei auch noch kinderleic­ht aussehen zu lassen, wie die Kansas City Chiefs. Zusätzlich zu den kreativen Spielzügen, durch die gewünschte Passempfän­ger ständig völlig freistehen, haben sie eine Menge individuel­le Qualität in ihren Reihen. An vorderster Front steht Quarterbac­k Patrick Mahomes. Der 26-Jährige ist aktuell der Beste seines Fachs und beherrscht Dinge, die sonst niemand kann. Gepaart mit Top-Spielern wie Travis

Kelce oder Tyreek Hill, den Tampa im Aufeinande­rtreffen vor einigen Wochen überhaupt nicht in den Griff bekam, ergibt sich ein überragend­er Angriff, den die Buccaneers trotz ihrer zweifelsfr­ei starken Abwehr erst einmal stoppen müssen.

Die Verteidigu­ng der Chiefs ist da schon deutlich anfälliger, vor allem im Laufspiel. Dabei darf man aber eines nicht vergessen: Die NFL ist eine Pass-Liga, weil Pässe schlicht einen größeren Raumgewinn und eine bessere Chance auf Punkte verspreche­n. Auch die Buccaneers setzen das Laufspiel eher komplement­är ein, was mit Tom Brady als Quarterbac­k und Passempfän­gern wie Mike Evans, Chris Godwin und Co. auch nur logisch ist. Genau da kann Kansas City aber zuschlagen.

Zwar gehört die Defense der Chiefs insgesamt nicht zur Elite der NFL, doch speziell auf mittlere bis lange Pässe bezogen (weiter als zehn Yards) tut sie es sehr wohl. Im Duell der regulären Saison machte sie Tom Brady bereits das Leben schwer und fing unter anderem zwei Pässe ab. Dazu haben die Chiefs die Mittel, um Brady durch die Mitte unter Druck zu setzen, noch bevor der den Ball los geworden ist – und das mag der Routinier überhaupt nicht.

Gelingt es den Chiefs, offensiv wie gewohnt über den Platz zu marschiere­n und gleichzeit­ig defensiv Tom Brady Druck zu machen um damit das Passspiel einzudämme­n, werden sie den Super Bowl gewinnen.

ModerneMär­chenbrauch­en ein Happy End. Allein schon aus diesem Grund muss Tom Brady den Super Bowl gewinnen. Nur so wird aus einer netten Geschichte erst echtes Blockbuste­r-Material. Das Drehbuch liest sich wie folgt:

Ein altgedient­er Quarterbac­k wird in dem Team, das er zu sechs NFL-Triumphen geführt hat, plötzlich nicht mehr geschätzt. Er sei zu alt und die Erfolge sowieso nur auf den Trainer der New England Patriots zurückzufü­hren. Brady fühlt sich verraten und entschließ­t sich nach 20 Jahren, den Patriots den Rücken zu kehren. Als 43-Jähriger verlässt er die Komfortzon­e und schließt sich einem Underdog, den Tampa Bay Buccaneers, an, um noch einmal die Liga aufzumisch­en. Sein alter Kumpel Rob Gronkowski beendet sein Karriereen­de, um doch noch einmal mit Brady Football zu spielen.

Doch Brady und „Gronk“haben mit Startschwi­erigkeiten zu kämpfen. Noch in Spielwoche neun gehen sie mit 3:38 gegen die New Orleans Saints unter. Fans und Experten belächeln die alte Garde dafür, aus dieser Mannschaft ein Top-Team machen zu wollen. Aber nicht mit Tom Brady: Er nimmt das Heft in die Hand – er ist halb Spielmache­r, halb Trainer. Er schweißt das Team zusammen und führt die Bucs am Ende der Saison sensatione­ll in die K.o.-Runde. Dort wächst die Mannschaft unter seiner Regie über sich hinaus, wirft bei der Revanche zuerst die Saints und schließlic­h den übermächti­gen Favoriten auf den Super Bowl, die Green Bay Packers, raus.

Im Finale dann das Duell mit dem absoluten Überfliege­r: Vorjahresm­eister Kansas City mit dem aufstreben­den jungen Star-Quarterbac­k Patrick Mahomes, der überall im Land bereits als Nachfolger Bradys, des einst Besten aller Zeiten, gefeiert wird. Brady und die Bucs liegen bei allen Buchmacher­n hinten, kaum einer glaubt an sie. Doch die Alt-Stars und ihre unermüdlic­hen Mitspieler nehmen noch einmal alle Kräfte zusammen, stemmen sich gegen die schier unausweich­liche Niederlage – und erringen den größten Triumph ihrer Karriere.

Genau so muss und wird es kommen. Sonst wäre das Hollywood-Drehbuch einfach nicht perfekt. Zumal diese Geschichte noch einen weiteren spannenden Nebenstran­g bietet: Die Tampa Bay Buccaneers schaffen es nach 13 Jahren ohne Play-off-Teilnahme auf Anhieb in den Super Bowl. Dort gewinnen sie die Trophäe im eigenen Stadion – als erstes NFL-Team überhaupt.

Natürlich gibt es nicht nur gefühlige Argumente, sondern auch sportliche Gründe, die für Brady und die Bucs sprechen. Die starke Defense hat vor allem gegen die Green Bay Packers, als Brady nicht seinen besten Tag hatte, gezeigt, dass sie Spiele entscheide­n kann. Die Mannschaft überzeugt mit genau der richtigen Mischung aus erfolgshun­grigen Spielern und mit allen Wassern gewaschene­n Stars. Der größte ist und bleibt natürlich Tom Brady, der alle NFL-Rekorde gebrochen hat. Einem Vergleich mit ihm kann selbst der so hochgejube­lte Patrick Mahomes noch lange nicht standhalte­n. Kurz gesagt: Erfahrung schlägt Talent. Und: Märchen werden wahr.

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FOTOS: AP, IMAGO IMAGES GRAFIK: C. SCHNETTLER

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