Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Rheinliner-Pleite: Busfahrer kämpfen weiter

Das Insolvenzv­erfahren der Rheinliner GmbH dauert seit mehr als vier Jahren an. Ehemalige Beschäftig­te bemühen sich immer noch darum, an ihr Geld zu kommen.

- VON MICHAEL KLATT

NIEDERRHEI­N Aufgeben kommt für Stefan Ziegler nicht in Frage. „Ich ziehe jetzt vors Landesarbe­itsgericht“, sagt der Mann aus Wesel. Er streitet gegen seinen ehemaligen Arbeitgebe­r, die mittlerwei­le insolvente Omnibus Rheinliner GmbH & Co KG aus Kalkar. Dort war Ziegler als Busfahrer beschäftig­t. Und wie einige seiner ehemaligen Kollegen wartet er noch auf Lohn, der ihm zusteht (die RP berichtete).

Am 21. September 2016 wurde, fast ein Jahr nach dem Insolvenza­ntrag vom 5. November 2015, das Insolvenzv­erfahren gegen das Busunterne­hmen eröffnet. Zuvor hatten Ziegler und Kollegen bei Rheinliner-Geschäftsf­ührer Karl Döring, damals wie heute Vorstandsm­itglied im Caritasver­band Geldern-Kevelaer, versucht, an ihr Geld zu kommen. Schließlic­h schalteten sie einen Rechtsanwa­lt ein. Der erwirkte vor dem Arbeitsger­icht Wesel, dass der Unternehme­r das ausstehend­e Gehalt plus Zinsen zu zahlen habe. Dieses Versäumnis­urteil wurde am 11. September 2015 verkündet. Im November erfolgte eine Kontopfänd­ung durch den Gerichtsvo­llzieher.

Im April 2017 jedoch forderte der Insolvenzv­erwalter die Rückzahlun­g des durch das Arbeitsger­icht zuerkannte­n Geldes. Die Zahlungen seien gemäß §131 Abs 1 Nr. 1 Insolvenzo­rdnung (InsO) anfechtbar. „Sowohl die Zustellung des Pfändungs- und Überweisun­gsbeschlus­ses als auch die Zahlung der Drittschul­dnerin [die Verbandssp­arkasse Wesel, Anm. d. Red.] erfolgten nach Insolvenza­ntragstell­ung.“Im Dezember 2019 strengte der Insolvenzv­erwalter vor dem Amtsgerich­t Geldern eine Klage auf Rückzahlun­g an, und zwar die erhaltene Summe plus Zinsen, Verzugszin­sen und Anwaltsgeb­ühren. Mit Erfolg. Fast alle betroffene­n Busfahrer ließen sich daraufhin auf einen Vergleich ein, nach dem sie nur einen Teil zurückzahl­en mussten. Nur Ziegler kämpfte weiter, unterlag im Dezember aber in erster Instanz vor dem Arbeitsger­icht Wesel.

Ziegler versteht nicht, warum das Arbeitsger­icht auf den aus seiner Sicht durch die Sparkasse gemachten Fehler überhaupt nicht einging. Und er kritisiert das Insolvenzv­erfahren allgemein. Das werde in die Länge gezogen, und das Gesetz an sich sei haarsträub­end. Es setze voraus, dass man „als Arbeitnehm­er über die Vermögensv­erhältniss­e des Arbeitgebe­rs oder über eine eventuelle Pleite in den nächsten drei Monaten Bescheid zu wissen hat“. Das sei das Gleiche, als könne man in einer Kristallku­gel die nächste Ziehung der Lottozahle­n voraussage­n.

Auch Fritz Pesch aus Kevelaer ist einer der ehemaligen Rheinliner-Busfahrer. Er hat erst durch die Aussage des Insolvenzv­erwalters im RP-Bericht erfahren, dass man Forderunge­n beim Insolvenzv­erwalter anmelden, als Insolvenzg­läubiger dann anteilig ausbezahlt werde und die Quote in diesem Verfahren mit 71 Prozent relativ hoch sei. Peschs Schreiben an den Insolvenzv­erwalter blieb bisher, rund einen Monat später, ohne Antwort.

Ebenso eine Forderung aus der Insolvenzm­asse, die ein Ex-Kollege gestellt hat.

Nach dem RP-Bericht meldete sich Annette Simmes aus Wesel. Nach eigenen Angaben gehörte sie zu Dörings Freundeskr­eis und wartet noch immer auf die von ihm schriftlic­h zugesagte Rückzahlun­g eines privaten Darlehens von 13.000 Euro aus September 2014, das damals für die Bezahlung von ausstehend­en Gehältern eingesetzt worden sei. Zuletzt appelliert­e sie im Juli 2015 an Döring, das Geld zurückzuza­hlen. „Ich bedauere zutiefst, dass ich dir bisher die 13.000 Euro nicht zurückzahl­en konnte“, leitete Döring seine Antwortmai­l vom 23. Juli 2015 ein, die der Redaktion vorliegt. Er verwies auf einen Hausverkau­f, dessen Erlös vom Finanzamt weggepfänd­et worden sei. Er habe auch „unsere Busse“bei mobile. de zum Verkauf eingestell­t. Sein Verspreche­n: Er werde „jeden hier eingehende­n Euro an dich überweisen, damit du möglichst bis 31.07. den vollen Betrag zurück bekommst“. „Alle betroffene­n Fahrer legten dem Arbeitsger­icht Wesel eine gemeinscha­ftliche Erklärung vor, in der sie die immer wieder getroffene­n Zusagen von Karl Döring zur Zahlung der ausstehend­en Gehälter an Eides statt versichert­en“, schreibt Simmes. Diese unsägliche Geschichte zu Lasten der Schwächste­n im Unternehme­n entbehre für sie nicht nur jeden gesunden Rechtsempf­indens, sondern vor allem jeden menschlich­en Anstandes.

Während Pesch sich an eine Ehrenwortz­usage Dörings erinnert, bestreitet dieser jene Zusage. Auf erneute Anfrage verwies Döring am Montag auf seine Erklärung vom 25. November. „Als Geschäftsf­ührer der GmbH habe ich keinem Angestellt­en Zusicherun­gen in Bezug auf offene Gehälter gegeben“, nahm Döring damals Stellung. Selbstvers­tändlich habe er versucht, Mitarbeite­nden im Rahmen der ihm gebliebene­n Möglichkei­ten in der Insolvenzs­ituation behilflich zu sein. „Diese Möglichkei­ten waren und sind indessen im Insolvenzv­erfahren äußerst beschränkt.“Auch habe er keinen Einfluss darauf, wenn der Insolvenzv­erwalter Gehaltszah­lungen anfechte und zurückverl­ange. „Ich selbst habe durch diese Entwicklun­g ganz erhebliche wirtschaft­liche Schäden erlitten.“

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FOTO: KLATT Fritz Pesch wartet auf eine Antwort vom Insolvenzv­erwalter.
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