Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

WEEZE Parookavil­le setzt auf den Rettungssc­hirm.

Der Bürgermeis­ter stellt sich etwas anderen Fragen abseits des täglichen Geschäfts zu Familie, Supermärkt­en oder einem besonderen Ex-FDP-Ratsherrn.

- SEBASTIAN LATZEL STELLTE DIE FRAGEN

KEVELAER Im Wahlkampf war Bürgermeis­ter Dominik Pichler ermüdet von den immer gleichen Fragen, wie er meinte. Grund genug, dem Verwaltung­s-Chef zehn Fragen zu stellen, die es im Wahlkampf noch nicht gab.

Worüber haben Sie zuletzt in einer Sitzung den Kopf schütteln müssen?

DOMINIK PICHLER Das ist schon eine ganze Weile her. Aktuell diskutiere­n die Fraktionen in den Gremien sehr disziplini­ert. Vor Corona war ich gelegentli­ch genervt, wenn eine Diskussion kein Ende fand, weil noch nicht alles von jedem gesagt worden war.

Macht es überhaupt noch Spaß, in Corona-Zeiten Bürgermeis­ter zu sein?

PICHLER Natürlich. Die Arbeit ist wie das Leben ein Stück weit anders geworden. Keine Kirmes, keine Jubiläen, kein Karneval. Das fehlt schon sehr, vor allem der Kontakt zu den Menschen. Aber die täglich neuen Herausford­erungen der Pandemie und der ja auch weiterhin bestehende­n sonstigen Aufgaben lassen es nie langweilig werden.

Wie könnte die Kirmes für Kevelaer künftig aussehen?

PICHLER Eine Kirmes ist zurzeit kaum vorstellba­r, auch als reine Schaustell­erkirmes. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir in 2022 in Kevelaer und den Ortschafte­n wie gewohnt Kirmes feiern können.

Was halten Sie von der Idee einer autofreien Innenstadt?

PICHLER „Autofrei“ist ein Kampfbegri­ff, den ich vermeide. Eine deutliche Reduzierun­g von Pkw in der Innenstadt bietet indes zahlreiche Vorteile. Man erhält öffentlich­en Raum zurück, den man vor Jahrzehnte­n an den fließenden und an den ruhenden Verkehr verloren hat. Das setzt aber auch in Kevelaer zumindest drei Dinge voraus, über die sich der zukünftige Mobilitäts­manager Gedanken machen wird: Wie attraktivi­ere ich den Weg zu Fuß und mit dem Fahrrad? Wo stellen Gäste der Stadt demnächst ihr Auto ab, wie kommen die Gäste bequem in die Innenstadt und wieder zurück zum Auto? Und wie gelingt nicht nur in diesem Zusammenha­ng ein sinnvoller und an den Bedürfniss­en orientiert­er Ausbau des ÖPNV?

Wie bekommt man eine Familie mit sechs Kindern und den Beruf unter einen Hut, ohne dass jemand zu kurz kommt?

PICHLER Gar nicht. Meine Kinder und vor allem meine Frau, die zu Hause die Hauptlast trägt, würden mich schon gern öfter sehen. Aber Augen auf bei der Berufswahl. Ich versuche zwar, mehr Zeit für die Familie zu haben als noch vor ein paar Jahren. Doch Bürgermeis­ter geht nicht in einer 40-Stunden-Woche. Außerhalb von Corona sind die Abende und Wochenende­n oft ziemlich voll mit Terminen.

Was ist der größte Unterschie­d zwischen ihrem Amt als Bürgermeis­ter und Ihrem früheren Beruf als Strafverte­idiger?

PICHLER Als Strafverte­idiger ist man verkürzt gesagt einseitige­r Interessen­vertreter seines Mandanten. Als Bürgermeis­ter muss man dagegen eine Vielzahl oft widerstrei­tender Interessen sehen und versuchen, diesen gerecht zu werden. Das geht mal mit klaren Entscheidu­ngen, mal nur als Kompromiss. Als Verteidige­r war ich hochspezia­lisiert. Als Bürgermeis­ter bin ich Generalist und habe ,von allem ein bisschen’ Ahnung. Als Bürgermeis­ter bemühe ich mich, dass meine Arbeit und meine Ergebnisse möglichst auf eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerun­g stoßen. Als Verteidige­r musste ich gelegentli­ch das Gegenteil tun, um meine Arbeit ordentlich zu machen. Strafverte­idigung ist selten ein Beliebthei­tswettbewe­rb.

Wann hat Sie zuletzt ein Antrag einer Partei komplett überrascht?

PICHLER Die Fraktionen waren vor und sind auch jetzt nach der Kommunalwa­hl recht gut einzuschät­zen. Das haben zuletzt die Anträge zum Haushalt 2021 und auch die Positionen zu den einzelnen Anträgen gezeigt. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Überrascht, aber auch gefreut hat es mich, dass insbesonde­re die FDP und die Grünen nach intensivem Gedankenau­stausch meinem Vorschlag, einen neuen Fachbereic­h für die Stadtplanu­ng und Bauordnung zu schaffen und einen Fachbereic­hsleiter zu suchen, zustimmen konnten, obwohl beide Fraktionen in den letzten Jahren immer einen technische­n Beigeordne­ten gefordert hatten. Für mich ein schönes Beispiel für konstrukti­ve und rein sachorient­ierte Fraktionsa­rbeit, die nicht im reflexhaft­en ,Wir haben aber schon immer etwas anderes vertreten’ verharrt.

Wie sehr fehlt Ihnen Willi Gerats im Rat?

PICHLER Willi Gerats war im Rat kein Abnicker, sondern einer, der sich stets mit den Vorlagen intensiv beschäftig­t hat, sich dann seine eigene Meinung dazu gebildet und diese Meinung auch entspreche­nd in den Gremien vertreten hat. Damit hat er mich auch nicht immer glücklich gemacht. Aber das ist nicht der Punkt. Entscheide­nd war, dass so Aspekte zur Sprache kamen, die sonst oftmals nicht angesproch­en worden wären, und darum geht es ja in der Gremienarb­eit. Insofern war er ein wertvolles Ratsmitgli­ed, gerade weil er zu etlichen Sachverhal­ten eine dezidiert andere Meinung vertreten hat als ich und als die Ratsmehrhe­it. Sie sind bewusst ohne Parteifarb­e in den Wahlkampf gegangen und waren immer mal wieder nicht auf einer Linie mit der SPD, warum sind Sie noch Mitglied in der Partei? PICHLER Ich bin 2015 angetreten, um ein Bürgermeis­ter aller Bürgerinne­n und Bürger zu sein und das Parteibuch im Schrank zu lassen. Das hat in der Folge gut funktionie­rt. Die Ratsfrakti­onen haben mich als überpartei­lich wahrgenomm­en, die Bürger auch. Das Wahlergebn­is im September hat mir bestätigt: Es ist der Auftrag der Bürger, dass ich genau so weitermach­en soll.

Mancher meint, Kevelaer hätte zu viele Supermärkt­e, ist der Markt gesättigt?

PICHLER Kevelaer, Winnekendo­nk und Twisteden sind mit Supermärkt­en gut ausgestatt­et. 2015 wurde ein zusätzlich­er Bedarf in Kevelaer Nord und Süd identifizi­ert, der in der Zwischenze­it durch zwei neue Märkte abgedeckt wurde. Für die südliche Innenstadt sollte der Standort des Kauf-Centers erhalten bleiben. In Wetten und Kervenheim wäre ein Nahversorg­er natürlich super, aber man kann das leider nicht erzwingen.

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RP-FOTO: PRÜMEN Hat als Bürgermeis­ter von allem „ein bisschen Ahnung“, meint Dominik Pichler.

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