Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Virus-Mutanten breiten sich in Städten aus
Knapp ein Viertel der Corona-Fälle geht mittlerweile auf die britische Variante zurück. Sie verbreitet sich in NRW in den Ballungsräumen stärker als an den Grenzen. Apotheker erwarten, dass der Pollenflug mehr Infektionen zutage fördert.
DÜSSELDORF Die stärker ansteckende Variante des Coronavirus aus Großbritannien breitet sich in Deutschland aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, der Anteil der britischen Mutation an den Infektionen habe sich binnen zwei Wochen von knapp sechs auf mehr als 22 Prozent erhöht. „Wir müssen damit rechnen, dass die Variante bald auch bei uns die dominierende werden könnte“, sagte Spahn unter Berufung auf Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Der Anteil der britischen Variante verdoppele sich jede Woche.
Laut einer Studie der Uniklinik Münster verbreiten sich die Corona-Mutanten in den Ballungsräumen in Nordrhein-Westfalen deutlich stärker als auf dem Land. Auch die Grenzregion zu den Niederlanden sei weniger betroffen, teilte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium mit. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Virusvarianten weniger über die grenznahen Regionen als vielmehr durch überregionale Mobilität hinein in die Ballungsräume getragen werden“, sagte Studienleiter Alexander Mellmann.
Neben der Mutation werde auch die Ausweitung der Tests dazu führen, dass die Zahlen wieder steigen, sagte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. „Der Staat steht wegen des holprigen Impfens unter Druck. Deswegen ist die Entscheidung richtig, flankierend auf das Testen zu setzen.“
Ab 1. März sollen laut dem Entwurf für die Erweiterung der Nationalen Teststrategie alle Bürger einen Schnelltest in öffentlichen Testzentren oder in Praxen und Apotheken machen können, die von den Kommunen beauftragt wurden. Bei einem positiven Ergebnis soll ein anschließender PCR-Test für Sicherheit sorgen. „Die Ärzte-, Apothekerund Zahnärztekammern sind – soweit noch nicht geschehen – gehalten, entsprechende fachliche Empfehlungen für ihre Mitglieder zu erarbeiten“, heißt es in dem Papier.
Apotheker-Chef Preis sagte: „Das RKI geht davon aus, dass die Dunkelziffer der Infizierten den aktuellen Stand um das Vier- bis Sechsfache übersteigt. Wenn getestet wird, werden wir auch mehr Fälle haben.“Das erschwere es auch, mit konkreten Inzidenzzahlen zu arbeiten.
Er fügte hinzu: „Ab dieser Woche erleben wir, dass verstärkt der Pollenflug einsetzt. Das führt zu allergischen Reaktionen, die als Covid-19-Symptome fehlinterpretiert werden. Auch das kann die Zahl der Tests in die Höhe treiben.“Apotheker und Ärzte stünden bereit, um über Symptome aufzuklären.
Der Präsident des Hausärzteverbands Nordrhein, Oliver Funken, zeigte sich gelassen: „Die Allergiepatienten kennen ihre Symptome. Deswegen rechnen wir nicht mit einem Ansturm, weil die Pollensaison losgeht.“Zudem könne schon vorab geklärt werden, ob es sich um Covid-19 handele oder eine Allergie.
Wie der Hausärzte-Präsident setzt auch Apothekerverbands-Chef Preis auf schnelle Zulassung der Selbsttests für Laien. „Ich gehe davon aus, dass die Bevölkerung dann im Schnitt zwei Tests pro Woche vornimmt. Damit werden die kommerziellen Testzentren weniger genutzt werden.“Preis verlangte, dass es wie bei den FFP2-Masken Hilfe für ärmere Menschen geben müsse. „Wir laufen sonst Gefahr, dass wir ein soziales Ungleichgewicht bekommen. Tests dürfen kein Luxusgut sein.“
Er rechnet vor, dass im Schnitt auf eine Apotheke etwa 4500 Bürger kämen. „Wenn man davon ausgeht, dass nicht alle sich testen lassen, bedeutet das 8000 Tests pro Apotheke in der Woche.“Problematisch werde, dass die Apotheken dies vorfinanzieren müssten. „Ich erwarte von der Politik auch Lösungen. Und natürlich sind Lagerkapazitäten begrenzt. Schon die Masken nehmen viel Platz in den Apotheken weg.“Es sei unverständlich, warum Ärzten für ihre Angestellten die Tests bezahlt werden, die Apotheken aber ihre Mitarbeiter nicht kostenfrei testen könnten.