Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Die Bundeswehr hat im Ausland nichts zu suchen“
Die Kandidatin für den Linken-Bundesvorsitz spricht über den digitalen Parteitag, Grabenkämpfe sowie Krieg und Frieden in der Welt.
Frau Hennig-Wellsow, wer die Linke im Bund führen will, muss worauf gefasst sein?
SUSANNE HENNIG-WELLSOW Es ist eine sehr anspruchsvolle Mission, die Linke zu führen und die Partei tatsächlich erfolgreich und damit auch regierungsfähig im Bund zu machen. Wer Vorsitzende der Linken werden will, muss Widerstand aushalten. Aber ich spüre auch, dass meine Partei Lust hat, in eine neue Phase einzutreten und mit Janine Wissler und mir voll in diesen Wahlkampf einzusteigen.
Ihr Wahlprogramm fordert: 13 Euro Mindestlohn, Vier-Tage-Woche um die 30 Stunden, ein garantiertes Mindesteinkommen von 1200 Euro sowie eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV. Im Koalitionsvertrag mit welchen Partnern soll das stehen?
HENNIG-WELLSOW Na, SPD und Grüne, klar. Keine Partei wird sich in Koalitionsverhandlungen vollständig durchsetzen. Wir beschreiben mit dem Wahlprogramm politische Ziele, von denen wir möglichst viele in einem Koalitionsvertrag festzuschreiben versuchen würden. Als Teil einer progressiven Koalition, der wir nach der Bundestagswahl angehören könnten, wollen wir zum Beispiel Hartz IV sanktionsfrei machen, die Vermögensprüfung abschaffen und Hartz IV dauerhaft auf mindestens 650 Euro erhöhen. Wir brauchen eine neue Form der Grundsicherung
in Deutschland. Ich denke, das ist mit SPD und Grünen verhandelbar.
In der Außenpolitik hat Matthias Höhn ein sicherheitspolitisches Positionspapier verfasst. Indirekt plädiert er unter anderem für ein Ende der generellen Ablehnung von Militäreinsätzen. Unterstützen Sie ihn?
HENNIG-WELLSOW Matthias Höhn ist es gelungen, eine Debatte anzuregen. In der Frage der Auslandseinsätze bin ich aber nicht bei ihm. Blauhelm-Einsätze nach Kapitel sechs der UN-Charta wie etwa auf Zypern kann man sich im Einzelfall anschauen. Alles andere lehne ich ab. Der deutsche Verteidigungshaushalt muss deutlich verringert, der Etat für Entwicklungshilfe mindestens verdoppelt, die Wehrpflicht ganz abgeschafft und nicht nur ausgesetzt werden. Fakt ist: Die Bundeswehr hat im Ausland nichts zu suchen.
Was passiert bei einem Linken-Parteitag, wenn die Regierungs-Linken im Bund dann das Zwei-ProzentZiel
der Nato verteidigen müssen? HENNIG-WELLSOW Das werden wir nicht tun. SPD und Grüne haben im Bund noch nie mit der Linken verhandelt. Womöglich finden wir in dieser Frage sehr viel schneller einen gemeinsamen Nenner, als viele Leute heute ahnen. Auch Teile der SPD und der Grünen streben das ZweiProzent-Ziel nicht an. Noch einmal: Der Wehretat ist jetzt schon zu groß und der Etat für Entwicklungshilfe zu klein. Die SPD hat zu früheren Zeiten schon einmal ein Moratorium bei den Rüstungsexporten versprochen. Wir wären sofort dabei. Es wäre jedenfalls sehr viel Musik drin, wenn Grüne, SPD und Linke ernsthaft miteinander reden würden, wie es in Deutschland ohne eine Union
in der Bundesregierung weitergehen würde.
Mit der SPD im Bund fällt für Sie was am schwersten? HENNIG-WELLSOW Vermutlich die Haushaltspolitik.
Und mit den Grünen im Bund ist für die Linke was ausgeschlossen? HENNIG-WELLSOW Ich sehe erst die Gemeinsamkeiten. Aber für SPD wie Grüne gilt: Die Außenpolitik und der Umgang mit der Bundeswehr wird eine entscheidende Frage. Ob sie ein Ausschlusskriterium für eine Koalition ist, werden wir sehen, wenn alle drei Parteien an einem Tisch sitzen.