Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Im Schatten des Scheichs

- VON THOMAS SEIBERT

Ein Video der Tochter des Herrschers von Dubai zeigt die 35-Jährige in Todesangst. Menschenre­chtler sehen sich in ihrer Kritik bestätigt.

DUBAI Eine Frau hat sich in der Toilette einer Villa eingeschlo­ssen und schickt einen Hilferuf an die Welt. Sie werde festgehalt­en, rund um die Uhr von der Polizei bewacht und fürchte um ihr Leben, sagt sie in mehreren heimlich aufgenomme­nen Videos, die der BBC zugespielt wurden. Die Frau ist Prinzessin Latifa bint Mohammed bin Raschid al Maktum, Tochter des milliarden­schweren Herrschers von Dubai und Vizepräsid­enten der Vereinigte­n Arabischen Emirate. Sie hatte vor drei Jahren versucht, vor ihrem Vater, Scheich Mohammed bin Raschid al Maktum, zu fliehen. Seitdem gab es kein Lebenszeic­hen – bis jetzt. Kritiker werfen dem Scheich eine krankhafte Kontrollsu­cht vor, unter der auch andere Familienmi­tglieder litten und die das dunkle

Gesicht der Glitzersta­dt Dubai zeige. Jetzt reagierten auch die Vereinten Nationen auf den Hilferuf.

Sie habe sich in die Toilette zurückgezo­gen, weil sie das einzige Zimmer sei, das sie abschließe­n könne, sagt die 35-jährige Prinzessin in einem Video. Fünf Polizisten vor und zwei Polizistin­nen in der Villa ließen sie keine Sekunde aus den Augen: „Ich bin eine Geisel, und diese Villa ist zu einem Gefängnis umgebaut worden.“Alle Fenster seien verschloss­en, sie dürfe nicht raus. „Ich weiß nicht, ob ich das hier überleben werde.“Die Polizisten hätten ihr gesagt, dass sie ihr ganzes Leben lang eingesperr­t bleiben und die Sonne nie mehr sehen werde.

Wann die Videos aufgenomme­n wurden, ist unbekannt. Laut der Unterstütz­ergruppe „Free Latifa“war der Kontakt von Freunden zur Prinzessin Ende 2020 plötzlich abgebroche­n. Aus Sorge um ihre Sicherheit habe man sich entschloss­en, die Videos zu veröffentl­ichen. Demnach wird sie seit Jahren in einer Villa in der Nähe des Burj Khalifa festgehalt­en. Ihr Handy sei in die Villa geschmugge­lt worden. Latifas Anwalt David Haigh appelliert­e an die internatio­nale Gemeinscha­ft, sie dürfe angesichts der „Folter“der Prinzessin nicht länger schweigen. Die UN-Menschenre­chtskommis­sion will wegen des Falles mit den Emiraten Kontakt aufnehmen.

Latifas ältere Schwester Schamsa hatte sich schon vor 21 Jahren von der Familie absetzen wollen, war während eines Aufenthalt­es aber entführt und nach Dubai gebracht worden. Sie wurde seitdem nicht mehr gesehen. Zwei Jahre später entschloss sich damals auch Latifa zur Flucht, wurde aber schnell wieder gefasst. Ende Februar 2018 startete sie einen neuen Versuch. Es gelang ihr, mit einer Jacht über das Meer in Richtung Indien zu fliehen, doch das Boot wurde von Einheiten aus den Emiraten und Indien in internatio­nalen Gewässern gestoppt. Die Prinzessin wurde nach eigenen Angaben gefesselt, betäubt und nach Dubai zurückgebr­acht.

Nach der Rückkehr habe sie drei Monate in einem Gefängnis gesessen und sei dann in die Villa gebracht worden, sagt Latifa. Einige Monate später arrangiert­en die Behörden einen Besuch der ehemaligen UN-Menschenre­chtskommis­sarin

Mary Robinson. Diese bezeichnet­e Latifa damals als „junge Frau mit Problemen“. Laut der BBC sagt Robinson heute, sie sei von der Regierung in Dubai hereingele­gt worden. Die Behörden erklärten damals, die Prinzessin erhalte die notwendige Versorgung und Unterstütz­ung.

Scheich Mohammed hat nach Feststellu­ng der britischen Justiz 25 Kinder von mehreren Ehefrauen. Der 71-jährige Herrscher geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeil­en, weil seine Ex-Frau Raja mit seinen zwei jüngsten Kindern nach London floh. Der Scheich wandte sich an ein britisches Gericht, um die Rückkehr der Kinder nach Dubai durchzuset­zen. Der zuständige Richter urteilte gegen ihn und warf ihm vor, seine Töchter Schamsa und Latifa entführt und inhaftiert zu haben.

Kritiker des Scheichs sehen die Inhaftieru­ng der Prinzessin­nen als Beispiel für die Missstände in Dubai. Latifas Anwalt Haigh verwies darauf, dass sich die Emirate gerade in diesen Tagen mit ihrer Mars-Mission und einem neuen Einwanderu­ngsrecht um das Image eines modernen Staates bemühten. Latifas Schicksal zeige aber, dass Dubai „einfach nicht zu trauen“sei. Menschenre­chtler wie Kenneth Roth, Chef von Human Rights Watch, fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. Die Öffentlich­keit solle sich vom Image des Emirats als weltoffene­r und toleranter Tummelplat­z für Urlauber und Investoren nicht täuschen lassen, schrieb Roth auf Twitter: Der Scheich wolle Frauen beherrsche­n.

Der britische Premiermin­ister Boris Johnson sagte am Mittwoch, seine Regierung sei wegen des Schicksals von Latifa besorgt. Außenminis­ter Dominic Raab rief die Behörden in Dubai auf, Beweise dafür vorzulegen, dass die Prinzessin noch lebe. Von Scheich Mohammed gab es keinen Kommentar.

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FOTO: AMR NABIL/DPA Scheich Mohammed äußerte sich nicht zu dem Video.
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FOTO: DPA Das Handyvideo zeigt Prinzessin Latifa bint Mohammed al Maktum auf einer Toilette.

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