Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Im Schatten des Scheichs
Ein Video der Tochter des Herrschers von Dubai zeigt die 35-Jährige in Todesangst. Menschenrechtler sehen sich in ihrer Kritik bestätigt.
DUBAI Eine Frau hat sich in der Toilette einer Villa eingeschlossen und schickt einen Hilferuf an die Welt. Sie werde festgehalten, rund um die Uhr von der Polizei bewacht und fürchte um ihr Leben, sagt sie in mehreren heimlich aufgenommenen Videos, die der BBC zugespielt wurden. Die Frau ist Prinzessin Latifa bint Mohammed bin Raschid al Maktum, Tochter des milliardenschweren Herrschers von Dubai und Vizepräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie hatte vor drei Jahren versucht, vor ihrem Vater, Scheich Mohammed bin Raschid al Maktum, zu fliehen. Seitdem gab es kein Lebenszeichen – bis jetzt. Kritiker werfen dem Scheich eine krankhafte Kontrollsucht vor, unter der auch andere Familienmitglieder litten und die das dunkle
Gesicht der Glitzerstadt Dubai zeige. Jetzt reagierten auch die Vereinten Nationen auf den Hilferuf.
Sie habe sich in die Toilette zurückgezogen, weil sie das einzige Zimmer sei, das sie abschließen könne, sagt die 35-jährige Prinzessin in einem Video. Fünf Polizisten vor und zwei Polizistinnen in der Villa ließen sie keine Sekunde aus den Augen: „Ich bin eine Geisel, und diese Villa ist zu einem Gefängnis umgebaut worden.“Alle Fenster seien verschlossen, sie dürfe nicht raus. „Ich weiß nicht, ob ich das hier überleben werde.“Die Polizisten hätten ihr gesagt, dass sie ihr ganzes Leben lang eingesperrt bleiben und die Sonne nie mehr sehen werde.
Wann die Videos aufgenommen wurden, ist unbekannt. Laut der Unterstützergruppe „Free Latifa“war der Kontakt von Freunden zur Prinzessin Ende 2020 plötzlich abgebrochen. Aus Sorge um ihre Sicherheit habe man sich entschlossen, die Videos zu veröffentlichen. Demnach wird sie seit Jahren in einer Villa in der Nähe des Burj Khalifa festgehalten. Ihr Handy sei in die Villa geschmuggelt worden. Latifas Anwalt David Haigh appellierte an die internationale Gemeinschaft, sie dürfe angesichts der „Folter“der Prinzessin nicht länger schweigen. Die UN-Menschenrechtskommission will wegen des Falles mit den Emiraten Kontakt aufnehmen.
Latifas ältere Schwester Schamsa hatte sich schon vor 21 Jahren von der Familie absetzen wollen, war während eines Aufenthaltes aber entführt und nach Dubai gebracht worden. Sie wurde seitdem nicht mehr gesehen. Zwei Jahre später entschloss sich damals auch Latifa zur Flucht, wurde aber schnell wieder gefasst. Ende Februar 2018 startete sie einen neuen Versuch. Es gelang ihr, mit einer Jacht über das Meer in Richtung Indien zu fliehen, doch das Boot wurde von Einheiten aus den Emiraten und Indien in internationalen Gewässern gestoppt. Die Prinzessin wurde nach eigenen Angaben gefesselt, betäubt und nach Dubai zurückgebracht.
Nach der Rückkehr habe sie drei Monate in einem Gefängnis gesessen und sei dann in die Villa gebracht worden, sagt Latifa. Einige Monate später arrangierten die Behörden einen Besuch der ehemaligen UN-Menschenrechtskommissarin
Mary Robinson. Diese bezeichnete Latifa damals als „junge Frau mit Problemen“. Laut der BBC sagt Robinson heute, sie sei von der Regierung in Dubai hereingelegt worden. Die Behörden erklärten damals, die Prinzessin erhalte die notwendige Versorgung und Unterstützung.
Scheich Mohammed hat nach Feststellung der britischen Justiz 25 Kinder von mehreren Ehefrauen. Der 71-jährige Herrscher geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, weil seine Ex-Frau Raja mit seinen zwei jüngsten Kindern nach London floh. Der Scheich wandte sich an ein britisches Gericht, um die Rückkehr der Kinder nach Dubai durchzusetzen. Der zuständige Richter urteilte gegen ihn und warf ihm vor, seine Töchter Schamsa und Latifa entführt und inhaftiert zu haben.
Kritiker des Scheichs sehen die Inhaftierung der Prinzessinnen als Beispiel für die Missstände in Dubai. Latifas Anwalt Haigh verwies darauf, dass sich die Emirate gerade in diesen Tagen mit ihrer Mars-Mission und einem neuen Einwanderungsrecht um das Image eines modernen Staates bemühten. Latifas Schicksal zeige aber, dass Dubai „einfach nicht zu trauen“sei. Menschenrechtler wie Kenneth Roth, Chef von Human Rights Watch, fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. Die Öffentlichkeit solle sich vom Image des Emirats als weltoffener und toleranter Tummelplatz für Urlauber und Investoren nicht täuschen lassen, schrieb Roth auf Twitter: Der Scheich wolle Frauen beherrschen.
Der britische Premierminister Boris Johnson sagte am Mittwoch, seine Regierung sei wegen des Schicksals von Latifa besorgt. Außenminister Dominic Raab rief die Behörden in Dubai auf, Beweise dafür vorzulegen, dass die Prinzessin noch lebe. Von Scheich Mohammed gab es keinen Kommentar.