Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Preise für FFP2-Masken im freien Fall
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat den Apotheken die Kostenerstattung zusammengestrichen.
DÜSSELDORF Sind die früher so teuren FFP2-Masken wirklich so günstig, wie sie beworben werden? Es scheint so. Bei einer Netto-Filiale in Düsseldorf steht eine große Kiste der besonders gut gegen Coronaviren schützenden Masken – um elf Prozent sei der Preis auf 88 Cent gesenkt worden, steht darauf. In einer Lidl-Filiale sind zuerst keine Masken zu finden, auf Nachfrage findet eine Verkäuferin im Lager eine halbe Palette mit Ware für 88 Cent. In einem Rewe-Geschäft in Essen ist vom Preis von 2,50 Euro, der Ende 2020 häufig zu sehen war, keine Rede mehr. Jetzt gilt: 99 Cent.
„Sehr viele Anbieter drängen in den Markt, seit Deutschland die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken beim Einkaufen und im ÖPNV eingeführt hat“, sagt Marc Kloepfel, Chef der Kloepfel-Gruppe in Düsseldorf, die mit FFP2-Masken handelt und sie unter der Marke Lindenpartner selbst produziert: „Dieses hohe Angebot drückt die Preise und vermutlich auch die Qualität und verdunkelt die Aussichten für deutsche Produzenten.“Die könnten bei reinen Produktionskosten von rund 50 Cent nicht mehr mithalten.
Egal ob DM, Aldi oder andere große Händler – günstige FFP2-Masken
kommen in Mode. Das hat den Vorteil, dass es für die Bevölkerung einfacher ist, der verschärften Maskenpflicht nachzukommen. Einige Bürger nehmen zwar auch die ebenfalls zugelassenen, sehr dünnen OP-Masken, die oft nur 30 Cent pro Stück kosten, aber es scheint, dass sich die FFP2-Masken wegen ihrer höheren Qualität durchsetzen. „Es ist gut, dass immer mehr Menschen die FFP2-Masken nutzen“, sagt Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, „dies senkt das Infektionsrisiko besser als nur das Tragen von Alltagsmasken.“
Die sinkenden Preise führen nun dazu, dass das vom Staat subventionierte Verteilen der Masken an Bürger
ab 60 Jahren sowie an Menschen mit Vorerkrankungen fragwürdiger wird. Als erste Stufe konnten sich alle betroffenen 34 Millionen Bürger bis Ende 2020 jeweils drei Masken in einer Apotheke besorgen. Die Apotheken erhalten pro Stück sechs Euro vom Staat (inklusive Mehrwertsteuer). Das war schon damals ein schönes Geschäft. „Die Großhandelspreise lagen nie höher als zwei Euro“, so Experte Kloepfel. Der Bund meint, Anfang Dezember vergangenen Jahres wären 4,30 Euro pro Stück normal gewesen.
Seit Januar können die 34 Millionen Bürger zwei fälschungssichere Gutscheine für zwölf FFP2-Masken einlösen. Bei einem Preis von sechs Euro pro Stück erhalten die Apotheken rund 2,5 Milliarden Euro. Sie mussten aber nur eine Milliarde Euro investieren, wenn man einen Einkaufspreis pro Stück von zwei Euro annimmt. Die rund 19.000 Apotheken könnten einen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro machen, pro Haus also 79.000 Euro. „Das ist eine Lizenz zum Gelddrucken“, sagt Politiker Mostofizadeh. „Die Vergütung ist völlig unangemessen“, sagte der Apotheker Hendrik Müller in einem Interview der „Welt“Ende Januar. Er habe mit den Masken in nur einem Monat einen Gewinn von 40.000 Euro gemacht.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat nun die Notbremse gezogen: Pro Maske gibt es seit Dienstag nur noch eine Erstattung von 3,90 Euro. Ist die Kürzung um knapp 50 Prozent verkraftbar? Sicher. Selbst wenn die Masken beim Discounter um die Ecke für einen Euro pro Stück gekauft werden, bleibt für zwölf Masken ein Gewinn von 35 Euro inklusive der vier Euro an Gebühr, die Kunden beim Abholen zahlen.
Ein Ärgernis: Das Verteilen der Wertgutscheine hat sich stark verzögert, weil die Bundesdruckerei Schwierigkeiten hatte. Hätte es eine Alternative zum Gutscheinsystem und den teuren Erstattungen an die Apotheken gegeben? Der AOK-Bundesverband meint, man hätte die Masken zentral kaufen können. Ein AOK-Sprecher sagt: „Aus unserer Sicht wäre es aber weniger bürokratisch gewesen, die Masken direkt zu versenden und auf das Gutscheinsystem zu verzichten.“
Marktexperte Kloepfel hat noch eine andere Anregung: „Wenn der Bund schon so viel Geld für die Masken ausgibt, hätte er vorschreiben sollen, dass für die Gutscheine nur hochwertige europäische Masken verkauft werden. Nun wird da oft Ware aus China ausgegeben, über deren Qualität man geteilter Meinung sein kann.“