Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Facebook entfreundet Australien
Soziale Medien sollen in Zukunft für die Nutzung journalistischer Inhalte zahlen. Das führt zum Eklat auf dem fünften Kontinent.
CANBERRA Ein geplantes Mediengesetz in Australien sorgt für Furore. Weil Facebook nicht für das Teilen von Nachrichten und anderen journalistischen Inhalten zahlen möchte, hat die soziale Plattform nun ernst gemacht: Am Donnerstag zeigten die Facebook-Seiten sämtlicher australischer Medien keine Inhalte mehr an. Nutzer konnten Artikel und andere Medienbeiträge nicht mehr sehen oder teilen. Facebook schafft damit einen kompletten Medien-Blackout für den fünften Kontinent. Auch internationale Nutzer können nicht mehr auf australische Inhalte zugreifen.
Der radikale Schritt ist eine Reaktion auf einen Gesetzesvorschlag, der bereits vom australischen Repräsentantenhaus verabschiedet worden ist und vermutlich in der kommenden Woche auch vom Senat abgesegnet wird. Sobald das neue Mediengesetz in Kraft tritt, müssen soziale Medien, aber auch Suchmaschinen,
für die Nutzung journalistischer Inhalte zahlen. Google drohte Australien deswegen Ende Januar bereits mit der Abschaltung seiner Suchmaschine. Das Unternehmen sprach damals von einem gefährlichen Präzedenzfall. Doch nachdem Microsoft angeboten hatte, die Lücke mit seiner Suchmaschine Bing zu füllen, lenkte Google ein. Inzwischen hat der Konzern erste Deals mit Medienunternehmen geschlossen, unter anderem mit Rupert Murdochs News Corp.
Facebook dagegen geht auf Konfrontationskurs. „Das vorgeschlagene Gesetz missversteht die Beziehung zwischen unserer Plattform und den Verlagen“, schrieb William Easton, Facebooks Geschäftsführer in Australien und Neuseeland, auf dem Blog der sozialen Plattform. „Wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung“, sagte er. Entweder könne man ein Gesetz einhalten, das die Realitäten dieser Beziehung ignoriere, oder eben keine Nachrichteninhalte mehr über den
Dienst in Australien laufen lassen. „Mit schwerem Herzen entscheiden wir uns für Letzteres“, gab er bekannt.
Vertreter der australischen Regierung äußerten sich entsetzt über den Schritt Facebooks, betonten aber, nicht von der Gesetzgebung Abstand nehmen zu wollen. „Es ist sehr wichtig, dass wir in Australien einen vielfältigen und gut ausgestatteten Nachrichtenmediensektor haben“, sagte Kommunikationsminister Paul Fletcher. Dies sei ein entscheidender Teil der Demokratie. „Für ein Unternehmen im Silicon Valley mag das nicht wichtig erscheinen, aber für das australische Volk ist es sehr wichtig.“Gesundheitsminister Greg Hunt betonte vor Reportern, dass nun die Gefahr bestehe, dass sich Fehlinformationen in den von Facebook geschaffenen Lücken ausbreiten.
Auch Schatzmeister Josh Frydenberg kritisierte das Social-Media-Unternehmen. „Die Aktionen von Facebook waren unnötig“, sagte er. Man habe übertrieben heftig reagiert, und das werde dem Ruf der Plattform in Australien mächtigen Schaden zufügen.
Carsten Rudolph, ein IT-Experte der Monash-Universität in Melbourne, sagte, dass zeitweise auch Seiten für Wettervorhersage oder die Seiten der Rettungsdienste blockiert waren. Auch eine Seite, die indigene Menschen erreichen möchte, „Bumma Bippera Media 987 FM“, zeigte am Donnerstag keine Inhalte mehr an.
Der Schritt des US-amerikanischen Konzerns werfe die Frage auf, „welche Rolle digitale Plattformen in unserer Gesellschaft spielen“, sagte Rudolph. Man müsse sich im Klaren darüber sein, dass es dabei rein um Kommerz gehe und die Plattformen „ausbeuterische Data-Mining-Taktiken“anwenden würden. Digitale Plattformen würden von den Inhalten anderer profitieren. In seinen Augen sollten nicht nur professionelle Medien dafür entschädigt werden. Die Verwendung und Vergütung
von Daten müsse insgesamt vom Gesetzgeber geregelt werden.
Australien ist nicht das einzige Land, das mit den Tech-Konzernen über deren Mediennutzung verhandelt. In Frankreich hat Google beispielsweise Lizenzdeals mit Verlagen geschlossen, und in Deutschland hat die US-Firma Partner für ihren „Google News Showcase“angeworben. Eine Gesetzgebung ist ebenfalls in der Diskussion.
Wie der Showdown zwischen Facebook und der australischen Regierung ausgeht, wird auch von Interesse für andere Länder sein. Die Gespräche gehen derzeit noch weiter. Schatzmeister Josh Frydenberg schrieb auf Twitter, er habe am Donnerstagmorgen eine „konstruktive Diskussion mit Mark Zuckerberg von Facebook“gehabt. „Er sprach einige verbleibende Probleme mit dem von der Regierung geplanten Kodex für Nachrichtenmedien an, und wir einigten uns darauf, unser Gespräch fortzusetzen, um einen Weg vorwärts zu finden.“