Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Wer zahlt, wenn die Eltern ins Heim müssen?

- VON ANTJE HÖNING

In NRW sind Pflegeheim­e besonders teuer. Kinder müssen aber nur zahlen, wenn ihr Jahreseink­ommen über 100.000 Euro liegt.

DÜSSELDORF Die Menschen in Deutschlan­d werden immer älter. Und die meisten möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Doch wenn die Einschränk­ungen zu groß werden, wird es Zeit für ein Pflegeheim. Das aber ist teuer, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Immerhin sorgt das Angehörige­n-Entlastung­sgesetz für Erleichter­ung.

Was kostet ein Pflegeheim-Platz? Die Unterschie­de in Ausstattun­g, Leistungen und Kosten sind groß. Zum einen fallen Kosten für Pflege und Betreuung an, hierfür kommen grundsätzl­ich die gesetzlich­en oder privaten Pflegevers­icherungen auf. Hinzu kommen die Kosten Älteren Rente und Vermögen dazu aber nicht aus. Dann haften auch Kinder für ihre Eltern (nicht aber Enkel- und Schwiegerk­inder, Nichten, Cousinen und Geschwiste­r). Konkret wird das Sozialamt einspringe­n und das Geld von den Kindern zurückford­ern. Seit 2020 gilt jedoch das Angehörige­n-Entlastung­sgesetz, das viele Kinder von der Elternunte­rhaltspfli­cht befreit. Dies soll es den Eltern erleichter­n, ins Pflegeheim zu gehen, ohne finanziell­e Folgen für die gesamte Familie fürchten zu müssen.

Was sagt die 100.000-Euro-Regel? Ein Kind ist nur unterhalts­pflichtig, wenn es ein zu versteuern­des Jahreseink­ommen von mehr als 100.000 Euro hat. Dabei werden Erwerbsein­kommen, Renten, Kapitalund Mieteinkün­fte berücksich­tigt. Abgezogen werden unter anderem Werbungsko­sten, Vorsorgeau­fwand und Steuerfrei­beträge.

Keine Rolle spielt mehr das Vermögen des Kindes. Es ist nur relevant, wenn es zu Einnahmen führt. Wer die 100.000-Euro-Grenze überschrei­tet, muss auch nicht gleich alle Heimkosten übernehmen. Das wird individuel­l ermittelt. Zudem gibt es einen Selbstbeha­lt: Ledigen Kindern müssen mindestens 2000 Euro im Monat bleiben.

Wie ermittelt das Sozialamt den Verdienst der Kinder? Erst einmal geht der Gesetzgebe­r davon aus, dass Kinder ein Einkommen von weniger als 100.000 Euro haben und nicht für ihre Eltern zahlen müssen. Das Sozialamt darf daher grundsätzl­ich weder andere Behörden noch die Kinder zu ihren Einkommens­verhältnis­sen befragen – es sei denn, es liegen „hinreichen­de Anhaltspun­kte“vor, dass die Grenze überschrit­ten wird. Dazu zählen Informatio­nen, dass die Kinder Berufe ausüben, in denen man erfahrungs­gemäß gut verdient wie Chefarzt, Notar oder Wirtschaft­sprüfer, wie die Verbrauche­rzentrale erläutert. Oder auch Informatio­nen, dass die Kinder viele Immobilien besitzen, aus denen sie Mieten erhalten. Die Verbrauche­rschützer gehen davon aus, dass es hierzu noch viel Streit geben wird und die Gerichte festlegen werden, was „hinreichen­de Anhaltspun­kte“sind.

Welche Rolle spielt das Einkommen des Partners? Erst einmal keine. Das Sozialamt schaut sich nur an, ob das Kind selbst die 100.000-Euro-Grenze überschrei­tet. Das Einkommen des Partners spielt dabei zunächst keine Rolle. Es kommt erst ins Spiel, wenn das Kind selbst mehr als 100.000 Euro verdient und es darum geht, welchen Beitrag es zur Unterstütz­ung seiner Eltern leisten kann. Dabei berücksich­tigt der Staat aber einen Mindestsel­bstbehalt für die Kinder, den die Sozialämte­r nicht antasten dürfen. Bei Ehepaaren sind es 3600 Euro, so die Stiftung Warentest.

Was gilt bei Geschwiste­rn? Das Sozialamt schaut sich jedes Kind isoliert an. Wenn die Tochter als Geschäftsf­ührerin eines Unternehme­ns mehr als 100.000 Euro verdient, der Bruder aber nur die Hälfte, wird nur die Schwester für die Pflege ihrer Eltern herangezog­en. Und das auch nur im Rahmen ihrer eigenen unterhalts­rechtliche­n Verpflicht­ung. „Geschwiste­r haften grundsätzl­ich prozentual anteilig nach ihren Erwerbsver­hältnissen und nicht nach Kopfteilen“, betont das Bundessozi­alminister­ium.

Was ist, wenn der Partner ins Heim muss? Anders als Kinder profitiere­n Ehepartner nicht von dem Angehörige­n-Entlastung­sgesetz. Sie können weiter an den Kosten der Heimpflege ihres Partners beteiligt werden. Der Staat begründet das damit, dass Ehepartner eine besondere Einstandsp­flicht füreinande­r haben. Aber auch hier gibt es Abzugsmögl­ichkeiten und Selbstbeha­lte.

Was gilt für Schenkunge­n? Hier bleibt es trotz des Entlastung­sgesetzes dabei: Haben die Kinder in den vergangene­n zehn Jahren Schenkunge­n von ihren Eltern erhalten und sind diese nun nicht mehr in der Lage, ihre Pflege zu finanziere­n, können die Schenkunge­n zurückgefo­rdert werden, wie die Verbrauche­rzentrale betont. Wer als Eltern seinen Kindern etwas Gutes tun will, sollte dies also frühzeitig tun.

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