Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Mangelndes Wissen führt fast immer zu Vorurteile­n“

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Mit einem Festakt in Köln wurde die Reihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“eröffnet. Die Redner warben für mehr gegenseiti­ges Interesse.

KÖLN (dpa) Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat während eines Festakts in der Kölner Synagoge alle Bürgerinne­n und Bürger zum entschloss­enen Widerstand gegen jede Form von Antisemiti­smus aufgerufen. Der Festakt läutete die Veranstalt­ungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“ein.

„Wenn ich mir als Bundespräs­ident für dieses Festjahr etwas wünschen darf, dann nicht nur ein klares Bekenntnis, dass Jüdinnen und Juden in Deutschlan­d ein Teil von uns sind, sondern dass wir denen entschiede­n entgegentr­eten, die das noch – oder wieder – infrage stellen“, sagte Steinmeier. „Die Bundesrepu­blik

Deutschlan­d ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen“, betonte er.

Der früheste Nachweis für jüdisches Leben auf dem Territoriu­m des heutigen Deutschlan­d stammt aus dem Dezember des Jahres 321. Damals erließ der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, das den Juden eine Berufung in den Kölner Stadtrat ermöglicht­e. „Die jüdische Gemeinde in Köln ist damit nicht nur die älteste Gemeinde in Deutschlan­d, sondern die älteste nördlich der Alpen“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident, der neue CDU-Vorsitzend­e Armin Laschet.

Das jetzt beginnende Festjahr mit seinen bundesweit rund 1000 Veranstalt­ungen sei ein idealer Anlass, um sich besser kennenzule­rnen. „Setzen wir dabei auch einen klaren Kontrapunk­t zu antisemiti­schen Vorfällen, zu antijüdisc­hen Verschwöru­ngstheorie­n, zu antisemiti­scher Hetze im Netz und auf der Straße“, appelliert­e Laschet.

Ebenso rief der israelisch­e Staatspräs­ident Reuven Rivlin in einem Grußwort zu „Null-Toleranz gegen jegliche Form des Antisemiti­smus“auf. In den vergangene­n Jahrzehnte­n habe es in Deutschlan­d sowohl eine starke Wiederbele­bung des jüdischen Lebens gegeben als auch einen gefährlich­en Anstieg alter und neuer Formen des Antisemiti­smus, sagte Rivlin. Dagegen müsse man angehen. Rivlin sagte, die Geschichte Deutschlan­ds und des jüdischen Volkes sei seit Jahrhunder­ten miteinande­r verknüpft. Darin eingeschlo­ssen seien Zeiten grausamer Verfolgung, aber auch Phasen, in denen die Geschichte von Zusammenar­beit und Toleranz geprägt gewesen sei.

Zurzeit entsteht in Köln ein Jüdisches Museum auf dem wieder ausgegrabe­nen Judenviert­el aus dem Mittelalte­r.

Diese Freilegung einer ganzen jüdischen Lebenswelt samt Kultbad, Tanzhaus, Hospital und Tausenden von Alltagsgeg­enständen gilt als weltweit einzigarti­g.

Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, sagte, das Wissen in der deutschen Bevölkerun­g über die jüdische Vergangenh­eit und Gegenwart sei leider sehr gering. „Mangelndes

Wissen über eine bestimmte Gruppe von Menschen, vor allem über eine Minderheit, führt jedoch fast immer zu Vorurteile­n.“

Der Präsident der Konferenz der Europäisch­en Rabbiner und Oberrabbin­er von Moskau, Pinchas Goldschmid­t, erklärte in einer schriftlic­hen Stellungna­hme, das Festjahr solle Anlass sein, in ganz Europa für eine Zukunft jüdischen Lebens einzutrete­n. „Wenn Europa will, dass seine verblieben­en Juden weiter in Europa bleiben, dann müssen die Rechte von religiösen Minderheit­en sichergest­ellt sein, wie es etwa in Deutschlan­d und Österreich der Fall ist.“

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FOTO: EPD Der Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, bei seiner Festrede.

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