Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
So verändern Neobroker den Aktienhandel
Trade Republic und Co. locken mit Niedrigpreisen. Verbraucher sollten sich vor dem Einstieg gut vorbereiten.
KÖLN Als die Kurse des angeschlagenen Computerspiele-Ladens Gamestop zuletzt innerhalb kürzester Zeit von umgerechnet etwa 15 auf mehr als 250 Euro nach oben schnellten, tauchte in den Medien auch immer wieder ein Begriff auf: Neobroker.
Anleger hatten sich über die Plattform Reddit über Aktienkurse ausgetauscht – und die Kurse von Gamestop und anderen Nischenaktien durch Käufe gezielt nach oben getrieben, sodass einzelne Hedgefonds, die auf sinkende Kurse gewettet hatten, herbe Verluste erlitten.
Es war ein Spiel, bei dem Neobroker wie das US-Unternehmen Robinhood oder das deutsche Start-up Trade Republic als Werkzeug genutzt wurden, weil man über sie günstig und schnell die Aktien kaufen oder verkaufen konnte. Die Nachfrage war so groß, dass Trade Republic zeitweise technische Probleme bekam und den Handel einiger besonders gefragter Aktien aussetzte. Nutzer hatten daraufhin scharfe Kritik am Unternehmen geübt, bei der Finanzaufsicht Bafin gingen Beschwerden ein.
Die Folgen dieser Verwerfungen beschäftigen noch immer Politik und Aufsichtsbehörden, aber sie haben auch eins gezeigt: Neobroker werden den Aktienhandel dauerhaft verändern. „Viele Privatanleger erleiden aktuell Verluste, wenn sie viel handeln, weil die Gebühren die Rendite auffressen. Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen in fünf oder sechs Jahren für den Kauf oder Verkauf einer Aktie nichts mehr bezahlen müssen“, sagt Manuel Heyden. Er hat gemeinsam mit seinem Bruder den Kölner Neobroker Nextmarkets gegründet, seit 2018 können Kunden darüber an der Börse handeln. Geld, sagt Heyden, werde künftig mit anderen Produkten verdient, etwa der digitalen Vermögensverwaltung oder dem Hebeln von Aktien.
Bei Neobrokern ist der Handel mit Aktien und sogenannten Indexfonds (ETFs) für Kunden viel günstiger oder sogar kostenlos, weil sie anders als viele klassische Banken auf hohe Transaktionsgebühren verzichten. Die Stiftung Warentest sprach zuletzt auch von Smartphone-Brokern, weil die Plattformen sich gut per App über Smartphone oder Tablet nutzen lassen. Sogar die Anmeldung erfolgt digital, etwa über ein Video-Identifikationsverfahren. Durch niedrige Gebühren und moderne Steuerung sind Neobroker gerade bei jungen Leuten beliebt, die die ersten Schritte an der Börse gehen.
Geld verdienen Anbieter wie Trade Republic und Co. auch durch sogenannte Rückvergütungen, die ihnen von den Börsen gezahlt werden, über die sie ihren Handel abwickeln. Weil sie sich dabei mit eher kleineren Handelsplätzen wie der Börse München oder der Börse Hamburg zusammenarbeiten, ist das Angebot der Neobroker teilweise etwas begrenzter als beim klassischen Depot
bei einer Großbank, über die man seine Käufe und Verkäufe auch über Deutschlands größten Börsenplatz Xetra abwickeln kann.
Für die meisten Privatanleger dürfte es jedoch ausreichend sein; die Kurse unterscheiden sich laut Stiftung Warentest auch kaum. Im Zweifel lohnt es sich, vorher die Konditionen bei Direktbanken mit denen von Neobrokern zu vergleichen – denn speziell bei langfristig orientierten Anlegern, die wenig handeln wollen, spielen die Ordergebühren eine eher untergeordnete Rolle.
Bevor man sich für die App eines Neobrokers entscheidet, sollte man sich darüber hinaus einerseits genau die Preisstruktur anschauen und andererseits die eigene Investmentstrategie überdenken. Wer etwa langfristig und regelmäßig über ETF-Sparpläne investieren will, findet bei Trade Republic aktuell das größte Angebot. Wer aktiv und kurzfristig an der Börse spekulieren will, wäre wohl eher mit einem Flatrate-Modell wie dem von Scalable Capital zufrieden, bei dem man für 2,99 Euro monatlich unbegrenzt handeln kann. Das Start-up bietet zudem eine Vermögensverwaltung an. Nextmarkets wiederum setzt auf eigene Börsencoaches, die Nutzern mit Analysen zu besseren Entscheidungen
verhelfen wollen, Sparpläne sollen im Laufe des zweiten Quartals ebenfalls eingeführt werden. Justtrade hingegen ermöglicht auch den Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum.
Das Geschäft der Neobroker wird von Investoren offenbar als sehr vielversprechend angesehen. Die Startups konnten bereits viele Millionen Euro an Risikokapital einsammeln. Nextmarkets-Chef Manuel Heyden sagt zwar: „Bislang konkurrieren die Online-Broker mehr mit dem Sparbuch oder Tagesgeldkonto als miteinander.“Dennoch dürften einige Anbieter über kurz oder lang aus dem Markt wieder ausscheiden.
Sorgen um ihre Geldanlage müssen sich Kunden in diesem Fall allerdings nicht machen. Die Stiftung Warentest weist darauf hin, dass Aktien, Fonds, Anleihen und Zertifikate nicht Teil einer etwaigen Insolvenzmasse wären. „Anleger müssten die Wertpapiere zu einer anderen Bank oder einem neuen Broker übertragen und hätten vorübergehend keinen Zugriff“, schreiben die Warentester: „Das wäre nicht angenehm, aber auch kein Beinbruch.“