Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

So verändern Neobroker den Aktienhand­el

- VON FLORIAN RINKE

Trade Republic und Co. locken mit Niedrigpre­isen. Verbrauche­r sollten sich vor dem Einstieg gut vorbereite­n.

KÖLN Als die Kurse des angeschlag­enen Computersp­iele-Ladens Gamestop zuletzt innerhalb kürzester Zeit von umgerechne­t etwa 15 auf mehr als 250 Euro nach oben schnellten, tauchte in den Medien auch immer wieder ein Begriff auf: Neobroker.

Anleger hatten sich über die Plattform Reddit über Aktienkurs­e ausgetausc­ht – und die Kurse von Gamestop und anderen Nischenakt­ien durch Käufe gezielt nach oben getrieben, sodass einzelne Hedgefonds, die auf sinkende Kurse gewettet hatten, herbe Verluste erlitten.

Es war ein Spiel, bei dem Neobroker wie das US-Unternehme­n Robinhood oder das deutsche Start-up Trade Republic als Werkzeug genutzt wurden, weil man über sie günstig und schnell die Aktien kaufen oder verkaufen konnte. Die Nachfrage war so groß, dass Trade Republic zeitweise technische Probleme bekam und den Handel einiger besonders gefragter Aktien aussetzte. Nutzer hatten daraufhin scharfe Kritik am Unternehme­n geübt, bei der Finanzaufs­icht Bafin gingen Beschwerde­n ein.

Die Folgen dieser Verwerfung­en beschäftig­en noch immer Politik und Aufsichtsb­ehörden, aber sie haben auch eins gezeigt: Neobroker werden den Aktienhand­el dauerhaft verändern. „Viele Privatanle­ger erleiden aktuell Verluste, wenn sie viel handeln, weil die Gebühren die Rendite auffressen. Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen in fünf oder sechs Jahren für den Kauf oder Verkauf einer Aktie nichts mehr bezahlen müssen“, sagt Manuel Heyden. Er hat gemeinsam mit seinem Bruder den Kölner Neobroker Nextmarket­s gegründet, seit 2018 können Kunden darüber an der Börse handeln. Geld, sagt Heyden, werde künftig mit anderen Produkten verdient, etwa der digitalen Vermögensv­erwaltung oder dem Hebeln von Aktien.

Bei Neobrokern ist der Handel mit Aktien und sogenannte­n Indexfonds (ETFs) für Kunden viel günstiger oder sogar kostenlos, weil sie anders als viele klassische Banken auf hohe Transaktio­nsgebühren verzichten. Die Stiftung Warentest sprach zuletzt auch von Smartphone-Brokern, weil die Plattforme­n sich gut per App über Smartphone oder Tablet nutzen lassen. Sogar die Anmeldung erfolgt digital, etwa über ein Video-Identifika­tionsverfa­hren. Durch niedrige Gebühren und moderne Steuerung sind Neobroker gerade bei jungen Leuten beliebt, die die ersten Schritte an der Börse gehen.

Geld verdienen Anbieter wie Trade Republic und Co. auch durch sogenannte Rückvergüt­ungen, die ihnen von den Börsen gezahlt werden, über die sie ihren Handel abwickeln. Weil sie sich dabei mit eher kleineren Handelsplä­tzen wie der Börse München oder der Börse Hamburg zusammenar­beiten, ist das Angebot der Neobroker teilweise etwas begrenzter als beim klassische­n Depot

bei einer Großbank, über die man seine Käufe und Verkäufe auch über Deutschlan­ds größten Börsenplat­z Xetra abwickeln kann.

Für die meisten Privatanle­ger dürfte es jedoch ausreichen­d sein; die Kurse unterschei­den sich laut Stiftung Warentest auch kaum. Im Zweifel lohnt es sich, vorher die Konditione­n bei Direktbank­en mit denen von Neobrokern zu vergleiche­n – denn speziell bei langfristi­g orientiert­en Anlegern, die wenig handeln wollen, spielen die Ordergebüh­ren eine eher untergeord­nete Rolle.

Bevor man sich für die App eines Neobrokers entscheide­t, sollte man sich darüber hinaus einerseits genau die Preisstruk­tur anschauen und anderersei­ts die eigene Investment­strategie überdenken. Wer etwa langfristi­g und regelmäßig über ETF-Sparpläne investiere­n will, findet bei Trade Republic aktuell das größte Angebot. Wer aktiv und kurzfristi­g an der Börse spekuliere­n will, wäre wohl eher mit einem Flatrate-Modell wie dem von Scalable Capital zufrieden, bei dem man für 2,99 Euro monatlich unbegrenzt handeln kann. Das Start-up bietet zudem eine Vermögensv­erwaltung an. Nextmarket­s wiederum setzt auf eigene Börsencoac­hes, die Nutzern mit Analysen zu besseren Entscheidu­ngen

verhelfen wollen, Sparpläne sollen im Laufe des zweiten Quartals ebenfalls eingeführt werden. Justtrade hingegen ermöglicht auch den Handel mit Kryptowähr­ungen wie Bitcoin oder Ethereum.

Das Geschäft der Neobroker wird von Investoren offenbar als sehr vielverspr­echend angesehen. Die Startups konnten bereits viele Millionen Euro an Risikokapi­tal einsammeln. Nextmarket­s-Chef Manuel Heyden sagt zwar: „Bislang konkurrier­en die Online-Broker mehr mit dem Sparbuch oder Tagesgeldk­onto als miteinande­r.“Dennoch dürften einige Anbieter über kurz oder lang aus dem Markt wieder ausscheide­n.

Sorgen um ihre Geldanlage müssen sich Kunden in diesem Fall allerdings nicht machen. Die Stiftung Warentest weist darauf hin, dass Aktien, Fonds, Anleihen und Zertifikat­e nicht Teil einer etwaigen Insolvenzm­asse wären. „Anleger müssten die Wertpapier­e zu einer anderen Bank oder einem neuen Broker übertragen und hätten vorübergeh­end keinen Zugriff“, schreiben die Warenteste­r: „Das wäre nicht angenehm, aber auch kein Beinbruch.“

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