Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Zu viel Gebühr fürs Abwasser ?

Der Bund der Steuerzahl­er hat Gebührenza­hler dazu aufgeforde­rt, Widerspruc­h gegen die Bescheide der Abwasserge­bühren 2021 einzulegen. Betroffen sind auch die Kommunen Geldern, Issum und Wachtendon­k.

- VON MARKUS BALSER UND DIRK WEBER

Bund der Steuerzahl­er rät Verbrauche­rn aus Geldern, Issum und Wachtendon­k, Einspruch gegen die Bescheide zu erheben.

Der Bund der Steuerzahl­er NRW (BdSt NRW) ruft Gebührenza­hler in zahlreiche­n Kommunen des Landes dazu auf, gegen ihre Bescheide über die Abwasserge­bühren 2021 Widerspruc­h einzulegen. Betroffen sind im Gelderland die Städte und Gemeinden Geldern, Issum und Wachtendon­k.

Hintergrun­d ist ein Prozess, den derzeit ein Mitglied des BdSt gegen eine Kommune führt. Der Kläger wirft dabei der Stadt Oer-Erkenschwi­ck vor, überhöhte Abwasserge­bühren wegen zu hoher Zinssätze bei der Kalkulatio­n der Gebühren zu veranschla­gen. Der Prozess ist inzwischen in zweiter Instanz beim Oberverwal­tungsgeric­ht Münster anhängig. „Wir halten den Zinssatz, den die beklagte Stadt Oer-Erkenschwi­ck ihrer Gebührenbe­rechnung zugrunde legt, ebenfalls für zu hoch und unterstütz­en dieses Verfahren als Musterproz­ess für alle Gebührenza­hler“, sagt Rik Steinheuer, Vorsitzend­er des BdSt NRW. Was hat der Bund der Steuerzahl­er bei der Kalkulatio­n der Abwasserge­bühren konkret zu monieren? Die Antwort: Es geht um die bei der Berechnung verwendete­n Zinssätze. Die Kommunen haben Geld investiert, um Kanäle und Kläranlage­n zu bauen. Für dieses Geld, das so genannte Eigenkapit­al, dürfen sie in der Kalkulatio­n der Abwasserge­bühren einen Zinssatz berechnen. Nach bisheriger Rechtsprec­hung des Oberverwal­tungsgeric­hts NRW ist ein Zinssatz bis zu 5,42 Prozent für das Jahr 2021 zulässig.

„Das ist in der anhaltende­n strukturel­len Niedrigzin­s-Phase völlig realitätsf­ern“, kritisiert Rik Steinheuer. In vielen Orten führe das, zusammen mit einer Abschreibu­ng nach Wiederbesc­haffungsze­itwerten, zu höheren Gebühren als sie eigentlich nötig seien. „Die Kommunen erheben auch heute noch Zinssätze, wie sie vielleicht vor 15 Jahren noch angemessen gewesen wären“, betont auch Michael Dröge, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Verbands Wohneigent­um NRW. „Heute aber wirken diese Aufschläge wie aus der Zeit gefallen und dienen nach unserer Auffassung nur noch als zusätzlich­e Einnahmequ­elle.“

Insgesamt 61 Städte und Gemeinden in NRW berechnen ihre Abwasserge­bühren anhand der zulässigen Höchstgren­ze von 5,42 Prozent. Am Niederrhei­n sind dies neben Emmerich und Rees auch Goch, Kalkar, Issum, Schermbeck und Wesel. Geldern und Wachtendon­k überschrei­ten diesen sogar noch. Geldern liegt laut BdSt NRW bei einem Zinssatz von 5,56, Wachtendon­k bei 5,88 Prozent. „Die Bürger aus diesen Kommunen sollten gegen ihren aktuellen Abwasserge­bührenbesc­heid Widerspruc­h einlegen“, empfiehlt Steinheuer. Er appelliert an die Kommunen, an die Städte und Gemeinden, die Bearbeitun­g der Widersprüc­he bis zum Urteil auszusetze­n.

In Geldern bestreitet Kämmerer Thomas Knorrek den Vorwurf, in der Gebührenka­lkulation über die erlaubte Höchstgren­ze des Zinssatzes von 5,42 Prozent hinausgega­ngen zu sein. „Wir halten uns selbstvers­tändlich an die vorgegeben­en Zinssätze. Für das Kalkulatio­nsjahr 2021 ist auch in unserer Gebührenbe­darfsberec­hnung mit dem Zinssatz von 5,42 Prozent kalkuliert worden. Dies wurde auch in der Verwaltung­svorlage zum erforderli­chen Beschluss deutlich dargelegt“, erklärt Knorrek auf Nachfrage. In Geldern stiegen die Abwasserge­bühren wie folgt: Beim Schmutzwas­serkanal beträgt die Abgabe 2,77 Euro pro Kubikmeter (Vorjahr: 2,62 Euro), abflusslos­e Gruben kosten 10,46 Euro je Kubikmeter (9,95 Euro), und beim Regenwasse­rkanal beträgt die Jahresgebü­hr 1,23 Euro (1,17 Euro).

Seitens der Gemeinde Wachtendon­k werde die Gebührenka­lkulation immer basierend auf der geltenden Rechtsprec­hung des Oberverwal­tungsgeric­hts NRW (OVG) durchgefüh­rt, teilt Bürgermeis­ter Paul Hoene mit. Hierbei seien die zulässigen Wiederbesc­haffungsze­itwerte zur Berechnung der Abschreibu­ngen durch ein Ingenieurb­üro sowie der kalkulator­ische Zinssatz durch die Kämmerei der Gemeinde Wachtendon­k ermittelt worden. „Sollte das OVG NRW sich mit dieser Rechtslage nochmals auseinande­rsetzen und zu einem anderen Ergebnis kommen, wird die Gemeinde Wachtendon­k natürlich aufgrund der geänderten Rechtsprec­hung die Gebührensä­tze für die Schmutz- und Regenwasse­rbeseitigu­ng neu berechnen und selbstvers­tändlich den Bürgern zugute kommen lassen“, so Hoene.

Müssten die Kommunen nach einem Urteil im Musterproz­ess ihre Kalkulatio­nen tatsächlic­h überarbeit­en, wirken sich diese Änderungen bei den Gebührenza­hlern erst in Zukunft aus. Wer jetzt schon profitiere­n möchte, sollte also laut BdSt Widerspruc­h einlegen. Dabei ist wichtig: Auch wer Widerspruc­h einlegt, muss die Abwasserge­bühren zunächst in voller Höhe zahlen.

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FOTO: LOTHAR BERNS Ist etwa zu viel Geld im Gully gelandet ?

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