Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Lehrkräfte-Impfung erzürnt Polizisten
Das Personal in Grund- und Förderschulen wird bei der Immunisierung vorgezogen. Die Gewerkschaft der Polizei hat dafür kein Verständnis. Die Landesregierung bedauert, dass nicht noch weitere Lehrer in der Rangliste vorrücken.
DÜSSELDORF Nach der Ankündigung von Bund und Land, Grund- und Förderschullehrer sowie Erzieher früher zu impfen, gibt es von anderen Berufsgruppen massive Kritik an der veränderten Reihenfolge. Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, stößt sich insbesondere am Vorziehen der Lehrer. „Wir hatten uns bewusst nicht an der Diskussion um eine Impfreihenfolge beteiligt“, sagte er unserer Redaktion. „Aber dass jetzt die Polizisten nach hinten rutschen sollen, macht mich fassungslos. Ich bin darüber total verärgert.“
Es gehe um Menschen, die draußen seien, die bespuckt und angeschrien würden, seit Beginn der Corona-Pandemie, sagte Mertens: „Wir haben keine einzige Wache geschlossen, keinen Einsatz abgesagt. Das ist jetzt eine rein politische Entscheidung.“Man wolle den Lehrern die Rückkehr in die Schule schmackhaft machen. „Das hier ist der Moment der Wahrheit: Wie steht die Politik zur Polizei?“
Die Lage bei den Erziehern sieht Mertens indes anders. „Deren Situation ist vergleichbar mit unserer. Da fällt es schwer, Abstand zu halten. Maske zu tragen, ist in vielen Fällen unmöglich. Insofern hätte man Polizisten und Erzieher bei der Impfung gleich behandeln müssen.“Aber was jetzt mit den Lehrern passiere, sei ein Unding. „Ich bin auch sehr enttäuscht vom Innenminister. Der hätte sich da mehr für unsere Belange einsetzen müssen.“
Der so Gescholtene meldete sich über die Deutsche Presse-Agentur zu Wort: „Die Ständige Impfkommission hat eine Reihenfolge und die Prioritätengruppen erarbeitet. Dem ist das Bundesgesundheitsministerium gefolgt. Diese Ordnung sollten wir im Sinne der Glaubwürdigkeit beibehalten und nicht Woche für Woche infrage stellen“, sagte Minister Herbert Reul (CDU).„Es stehen derzeit nur begrenzte Mengen Impfstoff zur Verfügung. Ich halte diesen Wettlauf, der jetzt ausbricht, für falsch. Ich werde mich daran nicht beteiligen.“
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am Morgen im Westdeutschen Rundfunk gesagt, dass die Hochstufung der Lehr- und Kitakräfte Auswirkungen auf das Impftempo für andere Gruppen haben werde, weil nur begrenzte Mengen an Impfstoff vorhanden seien.
Kritik an der Änderung der Reihenfolge kam auch von der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx. Sie könne das politische Ziel nachvollziehen, die Schulen und Kindertagesstätten möglichst schnell und sicher wieder zu öffnen, sagte sie im Deutschlandfunk. Doch diese politische Entscheidung sei eine Abkehr vom Prinzip, zunächst besonders gefährdete Gruppen zu impfen. Sie hätte sich gewünscht, man hätte für einen sicheren Schulbetrieb andere Mittel genutzt, etwa Schnelltests.
Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in NRW, Sigrid Beer, forderte indes, dass auch die Lehrer an den weiterführenden Schulen früher geimpft werden müssten. So seien die Lehrkräfte in den Abschlussklassen der weiterführenden Schulen schon jetzt im Präsenzunterricht, zum Teil in vollen Lerngruppen, wo kein ausreichender Abstand eingehalten werden könne, sagte Beer.
Auch Familienminister Joachim Stamp (FDP) bedauerte, dass es nicht gelungen sei, auch die Lehrkräfte in den weiterführenden Schulen vorzuziehen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigte er den Schritt. „Wir sollten jetzt nicht die Gruppen gegeinander ausspielen. Das ist auch nicht der Fall.“Der Astrazeneca-Impfstoff solle gezielt im frühkindlichen und pädagogischen Bereich eingesetzt werden. Der Minister unterstrich, dass auch die Tagesmütter und -väter zu der Gruppe der vorzeitig Geimpften zählen werden. Die Details zur Logistik würden nun mit dem Gesundheitsministerium und den Kita-Trägern erörtert. „Man muss ja auch schauen, wie diese Impfungen in den Alltag integriert werden können.“
Laschet sagte, man werde in wenigen Monaten so viel Impfstoff haben, dass es nicht zu Kollisionen von Berufgsgruppen komme. Schon ab März werde die Zahl der Impfdosen von Biontech von derzeit 70.000 auf dann 100.000 pro Woche steigen.