Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Warmer Geldregen für die Grünen
Schatzmeister Urbatsch gibt für den Wahlkampf ein deutlich höheres Budget frei.
BERLIN Für einen Schatzmeister ist es immer dann besonders angenehm, wenn er nicht jeden Euro umdrehen und überall den Rotstift ansetzen muss. Marc Urbatsch ergeht es derzeit genau so. Der oberste Kassenwart der Grünen kann, verglichen mit vergangenen Wahljahren, aus dem Vollen schöpfen. „Das Gesamtbudget der Grünen ist im direkten Vergleich zu Parteien wie SPD oder Union zwar geringer, im Vergleich zu unserer Finanzlage in bisherigen Wahljahren haben wir aber etwas mehr Spielraum“, sagt Urbatsch. Seit der Europawahl sei der geplante Wahletat um vier Millionen Euro gestiegen. „So ist eine Steigerung des Wahlkampfetats seit 2017 von sechs auf zehn Millionen Euro möglich.“
Den Grünen, die sehr ambitionierte Ziele verfolgen, kommt das gelegen. Derzeit sind sie die kleinste Fraktion im Deutschen Bundestag, in Umfragen aber rangieren sie mit rund 20 Prozent auf Platz zwei. Für die Grünen Grund genug, das erste Mal in ihrer Geschichte eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Ob Parteichefin Annalena Baerbock oder der Co-Vorsitzende Robert Habeck zum Zuge kommt, wollen die beiden zwischen Ostern und Pfingsten klären.
Schatzmeister Urbatsch will sie bestmöglich unterstützen. In diesem Superwahljahr macht die Corona-Pandemie jedoch eine völlig andere Strategie notwendig. Ein Risiko, das Urbatsch sieht: Übliche Formate eines analogen Wahlkampfes können nicht durch billigere Digitalveranstaltungen ersetzt werden. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass digitale Wahlkampfformate kostengünstiger wären“, sagt er. „Die Wahlkampfbudgets von Union und SPD sind weitaus höher, wir müssen also jeden Euro gut einsetzen, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen.“
Zum Vergleich: Die SPD hatte beispielsweise angekündigt, zehn Millionen Euro weniger auszugeben als 2017. Damals waren es 24 Millionen Euro, bleiben etwa 14 Millionen für dieses Jahr. Bei der Union sind es andere Dimensionen: 2017 lag allein der Anteil der CDU im Wahlkampfbudget bei 20 Millionen Euro.
„Gute Wahlergebnisse bei vergangenen Landtagswahlen und bei der Europawahl haben uns höhere Einnahmen beschert. Noch bedeutender ist das deutliche Mitgliederplus, das hilft sehr in der Budgetplanung“, sagt Urbatsch. Im November knackten die Grünen die Marke von 106.000 Mitgliedern, ein Zuwachs von knapp zehn Prozent. Rückenwind erhielt die Partei besonders durch die „Fridays for Future“-Bewegung, die vor dem Ausbruch der Pandemie viele junge Menschen im Protest für mehr Klimaschutz – ein Markenzeichen der Grünen – auf die Straße gebracht hatte.
Doch ein Selbstläufer wird der Wahlkampf der Grünen trotz des höheren Budgets nicht. „Mit viel Geld alleine gewinnt man keinen Wahlkampf, am wichtigsten bleiben die Themen, die Botschaften und gutes Personal an der Spitze“, sagt Urbatsch. Er konnte sich zuletzt außerdem über eine Rekordspende freuen. Der Pharma-Erbe Antonis Schwarz spendete 500.000 Euro an die Grünen, eine bis dahin unerreichte Summe in der Geschichte der Grünen. Sie werde in die Wahlkampffinanzierung einfließen, sagte der Schatzmeister. Was die Grünen mit dem warmen Geldregen bewegen können, wird sich am 26. September zeigen.