Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der Geist im Kick

Philipp Lahm stellt sein Buch vor – und erklärt seine Thesen zum Thema Coming-out.

- Info Philipp Lahm: Das Spiel. Verlag C.H. Beck, 19,95 Euro. VON PATRICK GUYTON

MÜNCHEN Als der sechsjähri­ge Philipp Lahm im Münchner Stadtviert­el Gern immer wieder auf der Straße kickte, entdeckte er im Spiel ein Gefühl für Fairness, für Gemeinscha­ft, für Recht. Da wusste man noch nicht, was aus ihm mal wird. Und da wusste man auch nicht, dass Philipp Lahm im Jahr 2021 auf dem Podium des Literaturh­auses München Platz nimmt und sein neues Buch vorstellt. Das Haus am Salvatorpl­atz ist der Hochaltar der Literaturs­zene in der bayerische­n Landeshaup­tstadt.

Kick trifft auf Kultur – eine spannende Aufstellun­g für den Abend, der am Montag live gestreamt wurde. Tanja Graf, Verlegerin und Leiterin des Literaturh­auses, begrüßt den einstigen Profi-Fußballer. Dunja Hayali, Moderatori­n des ZDF-„Sportstudi­os“, befragt Lahm. Sie ist fußballver­siert und liefert zugleich immer wieder tiefenscha­rfe gesellscha­ftspolitis­che Analysen.

Fußball ist einfach, schreibt Lahm. „Ein Spiel, das überall gespielt werden kann, wo es ein paar Meter ebener Erde gibt.“Jedes Kind versteht die Regeln, weltweit. Darin liegt die Faszinatio­n. Doch der Autor fragt auch: „Hat nicht der ganze Rummel, der um diesen Sport gemacht wird, Ausmaße erreicht, die verstören?“Fußball als gesellscha­ftlicher Kitt und als ein Spiel, das „hohe Anforderun­gen an Körper und Geist“stelle – das ist die eine Seite der Lahm’schen Ausführung­en. Die andere sind die wohl weiterhin zu wenig kritisiert­en Auswüchse, der Kommerz sowie die teils

„Unsere Gesellscha­ft ist vielfältig und bunt, und das ist auch gut so“

Philipp Lahm rät Fußballpro­fis dennoch von einem Coming-out ab

reaktionär-rassistisc­he Haltung an manchen Fußball-Orten. Zwischen diesem Gegensatz bewegt sich der ganze Abend. Nicht alle Fußballer können so reflektier­t darüber sprechen wie Lahm.

Gegen Rassismus auf dem Platz und in Fankurven wendet er sich massiv: „Unsere Gesellscha­ft ist vielfältig, ist bunt, und das ist auch gut so.“Als „Champions League an Verantwort­ung und Anstand“bezeichnet er das Drittliga-Spiel zwischen Münster und Würzburg vor einem Jahr: Als ein Zuschauer einen Spieler rassistisc­h beleidigte, riefen die Fans „Nazis raus“und zeigten auf den Rassisten. So konnte der Ordnungsdi­enst ihn fassen und der Polizei übergeben.

In anderen Bereichen bleibt Lahm vage. Zum Thema verheimlic­hte Depression­en und Angstzustä­nden bei Profis sagt er, es herrsche Konkurrenz­kampf. „Es geht schnell weiter, es ist wie in einem Rad.“Sich als schwul zu outen, würde er keinem raten, denn es herrsche „enormer Gruppenzwa­ng in der Kabine“. Da fragt man sich: Hat der Fußball gehörig etwas verpasst, geht es in den Kabinen noch zu wie vor 50 Jahren? Fragwürdig erscheint auch Lahms Aussage, dass bei einem Outing etwa bei Auswärtssp­ielen „Gefahren lauern“.

Lahm muss man sich weiterhin als rührigen Mann vorstellen. Er engagiert sich in seiner Stiftung für benachteil­igte Kinder, verdient Geld mit einer Pflegeprod­ukt-Firma. Auch leitet er das Organisati­onskomitee für die EM 2024 in Deutschlan­d. Mit seiner Familie lebt er weiterhin in München-Gern, dort bolzt jetzt sein achtjährig­er Sohn rum.

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