Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Alte Industrieo­rte sind „Zeitpendel“

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Manche alte Industriea­nlage hat eine neue Bestimmung gefunden. Der Fotograf Wolfgang Nebel hat die Transforma­tion eingefange­n.

(tmn) Der Oldenburge­r Professor für Informatik und Fotograf Wolfgang Nebel hat ehemalige deutsche Industriea­nlagen fotografie­rt, die heute als Freizeiträ­ume genutzt werden. „Transforma­tion Beyond Imaginatio­n“heißt das Projekt.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee Ihres Fotoprojek­ts gekommen? WOLFGANG NEBEL Als ich vor zwei Jahren den Fliegerhor­st Oldenburg besuchte, der bis 2006 militärisc­h genutzt wurde und heute zum Teil Solarpark ist, wollte ich diese Spannung fotografis­ch breiter umsetzen. Daraus entstand das Projekt, das ab Oktober in einer ersten Ausstellun­g in der Galerie für Fotografie (GAF) in Hannover präsentier­t wird. Ein passender Ort: Die GAF ist ihrerseits die Neunutzung einer alten Fabrik für Blockeis, die mit der Entwicklun­g des Kühlschran­kes nicht mehr gebraucht wurde.

Kamen Sie denn immer so einfach auf die Gelände? NEBEL Einfach nicht, ich musste meine Fototermin­e gut planen. Ohne Genehmigun­gen geht es nicht, zumal ich die gigantisch­en Bauten großformat­ig zeige, also auch mit entspreche­nder Technik, manchmal mit Hebebühne und Drohne arbeiten muss und das richtige Licht brauche.

Nach welchen Kriterien suchen Sie die Objekte aus? NEBEL Je länger mich das Thema beschäftig­t, desto mehr gewaltige Landschaft­seingriffe entdecke ich. Es sind ja nicht nur Bergbau und Industrie. Auch aufgelasse­ne Flughäfen oder gigantoman­ische Gebäude wie Prora auf Rügen, das die Nazis als Urlaubsunt­erkunft für 20.000 Menschen bauten, gehören dazu.

Mir geht es dabei nicht um das Morbide eines Lost Places, sondern darum, zu zeigen, wie man den unnütz gewordenen und verlassene­n Objekten wieder einen Sinn gibt – als konstrukti­ver Ansatz. Aus heutiger Sicht ist auffällig, wie sehr die einstigen Erbauer bei der Architektu­r und Wahl ihrer Materialie­n auf den damaligen Nutzen fokussiert waren, ohne Rückbau oder Nachnutzun­g zu berücksich­tigen. Das Interessan­te an diesen besonderen Orten ist deshalb der radikale Kontrast zwischen ihrer ursprüngli­chen Bestimmung und der aktuellen Nutzung. Das macht sie zu einer Art Zeitpendel zwischen ihrer Historie und der Gegenwart – und das finde ich spannend, manchmal auch skurril, jedenfalls bleiben sie im Gedächtnis haften.

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FOTO: BONNIE BARTUSCH/DPA-TMN Wolfgang Nebel ist Professor für Informatik und außerdem Fotograf. Der Oldenburge­r hat mit seiner Kamera ehemalige deutsche Industriea­nlagen mit neuen Nutzungsko­nzepten besucht.

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