Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Lange Haftstrafe für IS-Hassprediger Abu Walaa
Der Hassprediger Abu Walaa hat junge Leute aus NRW radikalisiert und in IS-Gebiete geschickt.
CELLE (dpa) Das Oberlandesgericht Celle hat den 37 Jahre alten Iraker Abu Walaa, ehemals Deutschland-Chef des IS, wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Miliz sowie Terrorismusfinanzierung zu zehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Hassprediger und drei Mitangeklagte radikalisierten nach Überzeugung der Richter junge Leute vor allem im Ruhrgebiet und in Niedersachsen und schickten sie in die IS-Kampfgebiete. Drei Mitangeklagte erhielten ebenfalls Haftstrafen. Ein Deutsch-Serbe, der acht Jahre Haft erhielt, nutzte seine Wohnung in Dortmund als Gebetszentrum und beherbergte dort zeitweise den späteren Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri.
DÜSSELDORF Er galt als Deutschland-Chef der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und war lange der „Mann ohne Gesicht“, weil er sich in seinen Propaganda-Videos immer nur von hinten oder von der Seite filmen ließ – oft mit erhobenem Zeigefinger. Nun wurde der Hassprediger Ahmad Abdulaziz Abdullah A. alias Abu Walaa vom Oberlandesgericht Celle zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht erklärte den Iraker wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Terrororganisation für schuldig.
Nach Auffassung des Gerichts war Abu Walaa in der Szene eine „führende Autorität mit hoher Strahlkraft“, wie der Vorsitzende Richter sagte. Bis zu seiner Festnahme im November 2016 lebte Abu Walaa in Tönisvorst bei Krefeld. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hat er mindestens zwei Ehefrauen und mehrere Kinder. Sehr viel mehr ist nicht über ihn bekannt. Auch im Prozess hat er geschwiegen.
Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass der 37-Jährige junge Leute vor allem im Ruhrgebiet und in Niedersachsen radikalisiert und in IS-Kampfgebiete geschickt hat. Er animierte seine Anhänger, zum IS auszureisen oder in Deutschland für den IS tätig zu werden. Ausreisewillige unterstützte er nach Überzeugung der Richter finanziell und durch die Vermittlung von Kontakten. Abu Walaa war vom IS als dessen Vertreter in Deutschland eingesetzt worden und hatte direkten Kontakt zu Entscheidungsträgern.
Mit der Verurteilung geht nach dreieinhalb Jahren und 245 Verhandlungstagen ein Prozess zu Ende, der als eins der wichtigsten Verfahren gegen Islamisten in Deutschland gilt. Abu Walaa war Imam der Moschee des Vereins „Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim“. Seit 2017 ist der Verein verboten, Abu Walaa hatte die niedersächsische Stadt aber zu einem Anziehungspunkt für Islamisten aus der ganzen Bundesrepublik gemacht. Der Verein galt als Rekrutierungszentrum des IS. Nach Erkenntnissen der Behörden machten sich mehr als 20 Männer aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nach Abu Walaas Seminaren auf den Weg nach Syrien und in den Irak. Sechs von ihnen sollen dort gestorben sein, unter ihnen die Zwillinge Mark und Kevin K. aus Castrop-Rauxel, die 2015 Selbstmordattentate begingen. Im Dunstkreis von Abu Walaa soll sich auch Anis Amri radikalisiert haben, der 2016 einen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten verübte.
„Das Urteil gegen den wohl höchsten Repräsentanten des IS in Deutschland sowie die weiteren drei Verurteilten ist das Ergebnis jahrelanger intensiver Arbeit des Landeskriminalamtes NRW in enger Zusammenarbeit mit vielen anderen Sicherheitsbehörden“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. Die Verurteilung Abu Walaas und das hohe Strafmaß seien ein klares Signal in die salafistische Szene und gegen den islamistischen Terror. „Mit dem Urteil wird klar, dass nicht nur Ausreisende und Kämpfer selber, sondern auch die Hintermänner und Unterstützer hohe Strafen fürchten müssen“, sagte Reul.
Der Vorsitzende Richter hat der Urteilsverkündung den Wunsch vorangestellt, dass Verfahren und Urteil dazu dienen mögen, das friedliche Zusammenleben von Menschen aller Religionen und Weltanschauungen zu sichern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mit dpa)