Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Noch einmal aussetzen

CDU-Chef Laschet gibt mit seinen Sätzen zur Schuldenbr­emse die Linie für die Haushaltsb­eratungen vor.

- VON BIRGIT MARSCHALL FOTO: ANDREAS KREBS

BERLIN Der CDU-Parteivors­itzende hat den ersten Stein ins Wasser geworfen, und die Unionsfrak­tion wird ihm nun folgen müssen: Die Schuldenbr­emse im Bundeshaus­halt müsse auch im kommenden Jahr noch einmal ausgesetzt werden, sagte Armin Laschet der „Stuttgarte­r Zeitung“. Es sei „eine berechtigt­e Frage, wie wir notwendige Investitio­nen in Bildung und Infrastruk­tur plus die Pandemieko­sten bewältigen können“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident. Die CDU wolle den Bürgern auch in der kommenden Wahlperiod­e keine Erhöhung der Einkommens­teuer zumuten.

Laschet griff damit in die laufenden Verhandlun­gen der Koalitions­fraktionen über den Etat 2022 ein. Sie sollen im März abgeschlos­sen werden. Am 24. März will Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) den neuen Haushalt dem Kabinett vorlegen. Die Etataufste­llung in einem Wahljahr hat allerdings stets nur einen begrenzten Aussagewer­t: Die neue Regierung wird den Etat nach der Bundestags­wahl im September verändern.

Die Koalition hatte den Kurs in der Finanzpoli­tik nach dem Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020 gedreht: Das Ziel des ausgeglich­enen Haushalts („schwarze Null“) gab sie auf, um die Folgen der Krise mit einer erhebliche­n kreditfina­nzierten Erhöhung der Staatsausg­aben aufzufange­n. Die Schuldenbr­emse, die eigentlich nur ein jährliches Defizit von bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaft­sleistung erlaubt, wurde 2020 und 2021 ausgesetzt. Dies ermöglicht das Grundgeset­z in außerorden­tlichen Notlagen wie der Corona-Pandemie. Da die Krise noch im laufenden Jahr zu Ende gehen könnte, ist die Aussetzung der Schuldenre­gel auch in den kommenden Jahren verfassung­srechtlich umstritten.

Die Union will ihren Markenkern der soliden Haushaltsp­olitik bewahren. Laschet hatte daher Forderunge­n von SPD, Grünen, Linken und den Gewerkscha­ften nach einer dauerhafte­n Aussetzung der Schuldenbr­emse noch vor wenigen Wochen scharf zurückgewi­esen. Dass die Union nun aber der Anwendung der Ausnahmere­gel auch 2022 zustimmt, macht deutlich, dass auch die CDU die Rückkehr zum ausgeglich­enen Haushalt vorerst nicht anstrebt. „Den Finanzbeda­rf nach 2022 kann heute niemand seriös vorhersage­n. Ob wir dann noch länger den finanziell­en Ausnahmezu­stand erklären müssen, hängt auch vom weiteren Pandemieve­rlauf ab. Mir ist wichtig, dass wir nicht die Verfassung ändern, sondern am Prinzip der Schuldenbr­emse festhalten“, beschrieb Laschet die neue Linie der

Union.

Im laufenden Jahr zeichnet sich zudem bereits jetzt ein Nachtragsh­aushalt ab. Die geplante Neuverschu­ldung von 180 Milliarden Euro wird nach Einschätzu­ng der SPD nicht ausreichen. Ihr Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer Carsten Schneider erwartete am Mittwoch ein „deutlich höheres Defizit“, das einen Nachtragse­tat nötig machen dürfte. Zur Begründung verwies er auf die Wirtschaft­shilfen und hohen Kosten etwa für Schnelltes­ts. Er rechne damit, dass die bei den Überbrücku­ngshilfen III „veranschla­gten knapp 50 Milliarden Euro locker ausgegeben werden“, sagte Schneider. Die Kosten der Schnelltes­ts für die gesamte Bevölkerun­g könnten sich auf „einen Milliarden­betrag pro Woche“belaufen.

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