Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Niag: Wasserstoffbus im Tauglichkeitstest
Nach zwei Elektrobussen erprobt das Verkehrsunternehmen jetzt eine weitere alternative Antriebsart im Linienbetrieb am Niederrhein. Die Tests sollen Erkenntnisse für eine Umstellung der Fahrzeugflotte in der Zukunft liefern.
NIEDERRHEIN Es steht Niag drauf und Niag ist drin, auch wenn der Bus, den das Verkehrsunternehmen am Mittwoch (24. Februar) auf die Straße schickt ein grünes Kennzeichen aus Polen trägt. Die Niag hat das mit Wasserstoff betriebene Fahrzeug für einen kurzen Test ausgeliehen. Am Donnerstag muss es schon wieder abgegeben werden. „Es war sehr schwer, überhaupt einen Wasserstoffbus für einen Test zu bekommen“, sagte Vorstand Christian Kleinenhamman in der Moerser Niag-Niederlassung, wo die Presse an einer kleinen Probefahrt teilnehmen durfte. Beim polnischen Hersteller Solaris wurden die Niederrheiner schließlich fündig.
Schon seit einiger Zeit beschäftigt sich die Niag mit alternativen Antriebstechniken. Im November 2020 testete sie zwei Wochen lang zwei Elektrobusse. Diese hätten sich prinzipiell als tauglich für den Linienbetrieb erwiesen, hieß es am Mittwoch. Allerdings sei noch einiges zu tun. So fehle es unter anderem an den nötigen Strom-Tankstellen.
Die Lade-Infrastruktur stellt auch bei der Wasserstoff-Technik eine der großen Herausforderungen dar. „Wir suchen dabei das Gespräch mit den Stadtwerken in der Region, in Moers also mit der Enni“, sagte Kleinenhammann. Zudem stelle sich nicht nur die Frage, wie der Wasserstoff in den Tank kommt, sondern wie er überhaupt in ausreichender Menge umweltfreundlich gewonnen werden kann. Und: Ob Wasserstoff künftig in erster Linie für alternative Antriebstechniken eingesetzt werden soll oder zum Beispiel als Ersatz-Brennstof für Kohle und Erdgas, sei noch lange nicht raus. „Das ist noch nicht abzuschätzen. Wasserstoff ist in vielen Branchen ein Thema.“
Weil in Moers eine geeignete Wasserstoff-Tanke nicht zur Verfügung steht, muss der Tank in Düsseldorf befüllt werden. Der flach auf dem Dach des Fahrzeugs liegende Karbontank fasst knapp 40 Kilo des ultraleichten Wasserstoffs. Ist er voll, herrschen darin enorme 350 Bar Druck – ein Bar entspricht dem Luftdruck auf der Erdoberfläche.
Die Brennstoffzelle, in der Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert und Strom für den Antrieb erzeugt wird, befindet sich im Heckbereich. Ein Tankinhalt soll den Bus rund 350 Kilometer weit bringen (beim Diesel-Fahrzeug sind es 400 bis 500 Kilometer). Die Höchstgeschwindigkeit des Wasserstoff-Busses ist bei 81 km/h gedrosselt, die Beschleunigung im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug enorm – wenn der Fahrer entsprechend aufs Pedal drückt. Bis zu 89 Passagiere finden in dem Solaris Urbino Hydrogen (so der vollständige Name) Platz. Dann ist es aber so kuschelig eng, wie es in Corona-Zeiten eigentlich lieber nicht sein sollte.
Bei der Frage ob und wann die Niag Wasserstoff-Busse in ihren Fuhrpark aufnimmt, spielt natürlich das Geld eine Hauptrolle. 600.000 bis 700.000 Euro koste ein solches Fahrzeug. Das ist das Dreifache eines Diesels und auch ein Batzen mehr als die im November getesteten Elektro-Fahrzeuge. Wie für diese stünden aber für Wasserstoff-Fahrzeuge Fördertöpfe bereit.
„Wir wollen unseren Aufgabenträgern ein gesamtheitliches Konzept vorlegen“, kündigte Kleinenhammann an. Die Aufgabenträger, das sind die Kreise Kleve und Wesel sowie Städte, die über das Buslinienangebot entscheiden und es finanzieren. Die Idee der Niag ist es, ausgemusterte Diesel-Fahrzeuge durch solche mit alternativen Antrieben zu ersetzen. Wobei sie mittelfristig eher E-Fahrzeuge ins Auge fasst, langfristig aber eher auf Wasserstoff-Busse setzt.