Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Sehnsucht nach einem Plan
Die Fastenzeit hat einiges mit der Corona-Situation gemein: Verzicht und Lust.
Was die Fastenzeit bietet, fehlt dem Lockdown: Die Perspektive auf ein baldiges, frohmachendes Ende. Das Osterlicht leuchtet schon bald, das Licht am Ende des Tunnels aber ist nicht mal zu erahnen. Zu gefährlich sind die Mutanten, zu langsam wird geimpft. Selbst Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht, fast schon rheinisch unbestimmt, gerade einmal von einer Vision, wenn er zu Ostern Außengastronomie als bestmögliche Aussicht nennt. Das reicht dem Rheinländer nicht. Nach einer freudlosen Karnevalszeit will er endlich wissen, wann Begegnung wieder möglich ist – an der Theke, im Theater, auf dem Sportplatz.
Der erzwungene Verzicht lässt manchen gar das freiwillige Maßhalten sinnlos erscheinen. Nie wurde in den eigenen vier Wänden so viel getrunken wie heute. Die Fastenzeit, einstmals geübte Tradition aus religiösen oder gesundheitlichen Beweggründen, scheint ihre mahnende Wirkung verloren zu haben. Das sorgt Pastoren wie Gesundheitsexperten. Sie erwarten längst nicht mehr, dass allein Aufrufe greifen.
Dazu ist die Konkurrenz der Kanzlerin zu groß. Sie beschwört zu Recht „den Ernst der Lage“. Aber auch Angela Merkel findet immer weniger Gehör. Der Düsseldorfer Oscar Bruch hat ihr ins Kanzleramt geschrieben: „Uns zittern die Hände“– und geschildert, wohin er als Riesenradbetreiber schaut: „in leere Kassen“. Selbst Merkels treuer Gefolgsmann und potenzieller Nachfolger, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, sehnt sich immer öfter nach Lockerungen.
Deshalb darf seit Montag Tennis gespielt und Saatgut verkauft werden, fallen ab 1. März die langen Haare der Schere zum Opfer. Der Mann von Riesenrad und Achterbahn aber braucht mehr als einen Friseurtermin. Bruch fordert, wonach sich viele sehnen: einen Plan. Ohne Aufschub. Da hilft vielleicht der Ratschlag eines befreundeten, mittlerweile 90-jährigen Seelsorgers. Er zielt auf das Fasten, passt aber auch zur Corona-Schutzverordnung: „Man muss auch mal auf ein Opfer verzichten können.“