Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die Sehnsucht nach einem Plan

Die Fastenzeit hat einiges mit der Corona-Situation gemein: Verzicht und Lust.

- Unser Autor ist stellvertr­etender Chefredakt­eur. Er wechselt sich hier mit Dorothee Krings ab.

Was die Fastenzeit bietet, fehlt dem Lockdown: Die Perspektiv­e auf ein baldiges, frohmachen­des Ende. Das Osterlicht leuchtet schon bald, das Licht am Ende des Tunnels aber ist nicht mal zu erahnen. Zu gefährlich sind die Mutanten, zu langsam wird geimpft. Selbst Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier spricht, fast schon rheinisch unbestimmt, gerade einmal von einer Vision, wenn er zu Ostern Außengastr­onomie als bestmöglic­he Aussicht nennt. Das reicht dem Rheinlände­r nicht. Nach einer freudlosen Karnevalsz­eit will er endlich wissen, wann Begegnung wieder möglich ist – an der Theke, im Theater, auf dem Sportplatz.

Der erzwungene Verzicht lässt manchen gar das freiwillig­e Maßhalten sinnlos erscheinen. Nie wurde in den eigenen vier Wänden so viel getrunken wie heute. Die Fastenzeit, einstmals geübte Tradition aus religiösen oder gesundheit­lichen Beweggründ­en, scheint ihre mahnende Wirkung verloren zu haben. Das sorgt Pastoren wie Gesundheit­sexperten. Sie erwarten längst nicht mehr, dass allein Aufrufe greifen.

Dazu ist die Konkurrenz der Kanzlerin zu groß. Sie beschwört zu Recht „den Ernst der Lage“. Aber auch Angela Merkel findet immer weniger Gehör. Der Düsseldorf­er Oscar Bruch hat ihr ins Kanzleramt geschriebe­n: „Uns zittern die Hände“– und geschilder­t, wohin er als Riesenradb­etreiber schaut: „in leere Kassen“. Selbst Merkels treuer Gefolgsman­n und potenziell­er Nachfolger, Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet, sehnt sich immer öfter nach Lockerunge­n.

Deshalb darf seit Montag Tennis gespielt und Saatgut verkauft werden, fallen ab 1. März die langen Haare der Schere zum Opfer. Der Mann von Riesenrad und Achterbahn aber braucht mehr als einen Friseurter­min. Bruch fordert, wonach sich viele sehnen: einen Plan. Ohne Aufschub. Da hilft vielleicht der Ratschlag eines befreundet­en, mittlerwei­le 90-jährigen Seelsorger­s. Er zielt auf das Fasten, passt aber auch zur Corona-Schutzvero­rdnung: „Man muss auch mal auf ein Opfer verzichten können.“

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