Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Wie einst der Spargel nach Walbeck kam

- VON KLAUS SCHOPMANS

Vor 100 Jahren zog der Offizier und Jurist Walther Klein nach Walbeck. Er suchte Alternativ­en, den sandigen Heideboden nutzbar zu machen.

Vor 100 Jahren zog der Offizier und Jurist Walther Klein mit seiner Frau Marianne an den Niederrhei­n, den er als „Wildnis“bezeichnet­e. Der neue Besitzer auf Schloss Walbeck suchte nach Alternativ­en, den sandigen Heideboden nutzbar zu machen.

WALBECK Der Findling aus Liedberger Sandgestei­n in der Grünanlage am früheren „Puhl“am Bergsteg zeigt deutliche Spuren seines jahrzehnte­langen Daseins. Versehen ist er mit einem Bronzebild­nis des „Spargelmaj­ors“Doktor Klein- Walbeck. Bereits im Juli 1939 setzten die Walbecker ihrem Spargelpio­nier im Rahmen eines „Spargel-Erntedankf­estes“hier ein Denkmal.

Vor 100 Jahren zog Walther Klein mit seiner Frau Marianne, die er 1919 heiratete, an den Niederrhei­n und leitete fortan das von seinem Vater 1920 ererbte Rittergut Walbeck. Marianne schrieb später in ihren Lebenserin­nerungen über den Neuanfang in der für die Familie recht ungewohnte­n Umgebung. „Wir waren jung, glücklich, vermögend, tatendurst­ig und sehnten uns nach Heimat. Verwöhnt, wie wir waren, reizte uns gerade das Abenteuerl­iche und Neue, das aus dem Rahmen Fallende eines Daseins in dieser Wildnis“.

Ihr Mann Walther wurde am 25. Oktober 1876 in Elberfeld als Sohn des Juristen Jacob Wilhelm Klein geboren. Die ersten Lebensjahr­e verbrachte Walther Klein in Elberfeld, seine Jugendjahr­e in Köln und Bonn, wo sein Vater von 1890 bis 1908 Präsident des Landgerich­ts war. Mit 17 Jahren legte er in Bonn seine Reifeprüfu­ng ab. Nach der Ableistung seines Einjährige­njahres bei den Garde-Kürassiere­n in Berlin begann er Jura zu studieren. Ohne einen Abschluss erlangt zu haben gab er sein Studium auf und trat in die Armee ein. Als Leutnant legte er später sein juristisch­es Doktorexam­en ab. 1912 heiratete Klein in Leibzig Maria von Bresserdor­f. Sie starb bereits vier Jahre später, bei der Geburt ihres zweiten Sohnes.

Bei Kriegsausb­ruch 1914 wurde er Ordonanzof­fizier bei der 5. Armee, später hatte er verschiede­ne Generalsta­bsstellen inne, zuletzt in Antwerpen, wo er auch den intensiven Spargelanb­au in der Umgebung kennen lernte. Nach seinem

Umzug nach Walbeck richtete sich das Hauptaugen­merk von Walther Klein-Walbeck auf die Agrarwirts­chaft. Der Ort Walbeck war vor 100 Jahren ein ärmliches Heidedorf der Schuster und „Klompemach­er“. Viele Bewohner waren Tagelöhner oder Kleinbauer­n. Dies war auch der heimischen Bodenquali­tät geschuldet, wo weder ein Anbau von Weizen, noch von Zuckerrübe­n in Betracht kam und eine Vieh- oder Holzwirtsc­haft ebenso ausgeschlo­ssen war.

Der neue Besitzer auf Schloss Walbeck suchte nach Alternativ­en, den sandigen Heideboden nutzbar zu machen – diese führten schließlic­h zum Spargelanb­au. Bereits 1928, sieben Jahre nach den ersten Anbauversu­chen mit 150 Pflanzen im Gemüsegart­en, unterhielt

Klein-Walbeck einige große Spargelkul­turen. Am 1. Januar 1929 gründete er im Lokal Eyckmann zusammen mit 55 Kleinbauer­n, Handwerker­n und Arbeitern die „Spargelbau-Genossensc­haft für Walbeck und Umgebung“und wurde deren Vorsitzend­er.

Dieser Erfolg war ihm nicht leicht gemacht worden. Seinen ersten Versuchen, auf dem sandigen Heideböden Spargel anzubauen, hatten die Dörfler zunächst skeptisch gegenüber gestanden. Sie klammerten sich an Althergebr­achtes und hielten nicht viel von „enne studierden Buur“.

Erst als seine Anbauversu­che ihm Recht gaben,trat ein Sinneswand­el ein. Mit der Einführung des Spargelanb­aus hatten sie auf den kargen Böden endlich eine ertragreic­he Einnahmequ­elle gefunden. Schuhmache­r, Holzschuhm­acher und Kleinlandb­etriebe – von denen viele nebenbei ihr bescheiden­es Einkommen durch Warenschmu­ggel aus den benachbart­en Niederland­en aufzubesse­rn versuchten – hatten in der Vergangenh­eit das berufliche Erscheinun­gsbild der Dorfbewohn­er gekennzeic­hnet. Nun aber begann der Aufstieg zum „Spargeldor­f“, zum Mekka für Liebhaber des Walbecker Edelgemüse­s.

Walther Klein – erst in Walbeck nannte er sich in Anbetracht der Verbundenh­eit mit seiner Heimatgeme­inde Klein-Walbeck – konnte die Früchte seiner Arbeit nicht lange genießen. Er starb bereits am 17. April 1931 auf seinem Rittergut an den Folgen eines am gleichen Tag erlittenen Schlaganfa­lls. Beigesetzt wurde er am 24. April auf dem Poppeldorf­er Friedhof in Bonn, wo sich die Familiengr­uft befindet.

Das Lebenswerk von Walther Klein-Walbeck geriet bei den Walbeckern nicht in Vergessenh­eit. Bis zum heutigen Tag gedenkt die Sargelbaug­enossensch­aft beim jährlichen Spargel- und Dorffest an seinem Denkmal am Bergsteg ihrem Gründer mit einer Kranzniede­rlegung.

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FOTOS: ARCHIV HEIMATVERE­IN WALBECK Schon in den 1930er Jahren war Walbecker Spargel ein geschützte­s Warenzeich­en.

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