Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Spahns Handeln ist ungeschickt
Er gilt als Hoffnungsträger in der CDU, doch das droht der Minister zu verspielen.
Wenn Parteifreunde öffentlich versichern müssen, dass ihr Mitstreiter „einen guten Job“macht, ist das in aller Regel ein Alarmsignal. Nun hat sich NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef
Armin Laschet über seinen Vertrauten Jens Spahn mit diesen Worten geäußert. Denn der Bundesgesundheitsminister steht massiv in der Kritik.
Einst sogar als Kanzlerkandidat gehandelt, fallen dem CDU-Minister nun gleich mehrere Dinge auf die Füße: Im Oktober mahnte er die Bürger morgens im Fernsehen vor privaten Feiern, nahm abends an einem Unternehmerdinner in Sachsen teil und wurde am Morgen danach positiv auf Corona getestet. Zudem laufen die Impfungen nicht so schnell wie gewünscht, Tests sind erst später verfügbar, Spahn kaufte eine Millionenvilla in Berlin und ließ Erkundigungen über Journalisten einholen, die dazu recherchierten. Unbestritten: Das Agieren des Ministers wirkt in der Summe ungeschickt, es ist taktlos und politisch wie menschlich fragwürdig. So ist es kein Wunder, dass seine Beliebtheitswerte abrauschten und das Image des Hoffnungsträgers tiefe Kratzer bekam.
Doch Häme ist leicht ausgeschüttet. Genaueres Hinsehen lohnt: Denn formell betrachtet hat Spahn sich an die damals in Sachsen geltenden Regeln gehalten. Und ein rechtlich sauberer Immobilienkauf ist zunächst Privatsache, wenn auch in Zeiten einer Wirtschaftskrise politisch aufgeladen. Harte Kritik ist hingegen angebracht, weil es nachweislich nicht rund läuft mit der Impfkampagne, wenn Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs nicht zügig verimpft werden. Wenn versprochene Schnell- und Selbsttests doch erst später verfügbar sind sowie Schulen, Kitas und erste Geschäfte ohne fundierte Teststrategie öffnen. Dann darf bezweifelt werden, ob der Minister wirklich „einen guten Job“macht. Eins ist jedoch sicher: Jens Spahn hätte erst dann alle Orientierung verloren, wenn er jetzt nicht wie auch sonst bei Gegenwind auf Attacke schaltet. Die nächste PR-Offensive dürfte nicht lange auf sich warten lassen.
Unser Autor ist stellvertretender Leiter des Berliner Parlamentsbüros. Er wechselt sich hier mit Kerstin Münstermann und Elisabeth Niejahr ab.