Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Haarschnit­t kurz nach Mitternach­t

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Seit Montag haben die Friseure wieder geöffnet. In einem Duisburger Salon wurden bereits ab 0 Uhr Haare geschnitte­n. Die erste Kundin war Sarah Philipp. Die SPD-Landtagsab­geordnete hatte den Termin für 500 Euro ersteigert. Der Erlös geht an einen guten Zweck.

Es ist 0.01 Uhr, als Sadiye Kisin endlich wieder zur Schere greifen darf. Zunächst muss die Inhaberin des Friseursal­ons „Haarscharf“in Duisburg-Buchholz ihrer ersten Kundin, die vor ihr Platz genommen hat, jedoch die Haare waschen. Sarah Philipp, Duisburger SPD-Landtagsab­geordnete, ist die erste, die nach dem zweiten Lockdown in der Corona-Pandemie von Kisin die Haare wieder schöngemac­ht bekommt. Für 500 Euro hat die parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Landtagsfr­aktion den Termin ersteigert. Das Geld ist für einen guten Zweck bestimmt und soll der Kindernoth­ilfe zugute kommen.

Seit Montag haben Friseure wieder geöffnet – nach langen Monaten im Lockdown und unter strengen Hygienevor­schriften. Wie in Duisburg öffneten in der Nacht auch in anderen Städten einige Salons bereits um 0 Uhr – etwa in Köln und Dortmund. „Es tut wirklich gut, wieder die Dienstleis­tung zu erbringen, die mich und die Kunden glücklich macht: Frisuren machen, die passen“, sagte der 52-jährige Friseur Marco Trapani in seinem geöffneten Salon in Dortmund.

Nach Angaben des Zentralver­bands des Deutschen Friseurhan­dwerks (ZV ) wurden im Vorfeld allein in NRW mehr als 100.000 Termine zum Haareschne­iden bei den rund 16.000 Friseurbet­rieben im Land gemacht – viele Friseure sind im März bereits ausgebucht. Auch Kisin hat nicht mehr viele Termine frei. „Für Stammkunde­n halte ich noch welche zurück. Gegen Ende des Monats habe ich noch was frei, sonst wieder ab April“, sagt sie. Am 1. März war die Duisburger­in ausgebucht.

Trotz der vollen Auftragsbü­cher zur Wiedereröf­fnung geht es vielen Betrieben finanziell nicht gut. „Die zu erwartende­n Einnahmen jetzt im März können die Verluste natürlich nicht ausgleiche­n. Man kann schließlic­h nur einmal Haare schneiden – und muss dann warten, bis sie wieder zu lang sind“, sagt Jörg Müller, Hauptgesch­äftsführer des Zentralver­bands des Deutschen Friseurhan­dwerks. Besonders Läden in sogenannte­n 1a-Lagen hätten wegen hoher Mieten und Personalko­sten unter der Schließung gelitten.

So hat bereits Deutschlan­ds größte Friseurket­te Klier wegen des massiven Umsatzeinb­ruchs Insolvenz angemeldet. Wie dramatisch die Situation vieler Friseure ist, hat auch das emotionale Instagram-Video von Bianka Bergler gezeigt, einer Friseurmei­sterin aus Dortmund. In dem millionenf­ach angeklickt­en Video beschrieb sie weinend ihre persönlich­e und finanziell­e Situation.

Als Sarah Philipp am 0.01 Uhr den Salon betritt, trägt sie vorschrift­smäßig Maske. Im Eingangsbe­reich desinfizie­rt sie sich die Hände. Die Friseurin klärt ihre Kundin über die Hygienereg­eln auf. Eigentlich sei alles so wie nach dem ersten Lockdown im vergangene­n Jahr: Es darf nur eine begrenzte Zahl an Kunden ins Geschäft; die Hälfte der Frisierplä­tze ist gesperrt, damit der Mindestabs­tand gewahrt bleibt. Kisin hat auch noch CO2-Melder in ihrem

Geschäft angebracht, die Alarm schlagen, sobald die Luft im Raum nicht mehr gut ist. „Ich mache alles, damit meine Kunden und und mein Personal sicher vor Infektione­n ist“, sagt die Friseurin.

Sarah Philipp ist Stammkundi­n bei „Haarscharf“. Eigentlich hätte sie erst einen Termin am 13. März gehabt. „Vor zwei Wochen hatte ich auf gut Glück angerufen, um einen Termin auszumache­n. Und den 13. März habe ich dann genommen“, sagt Philipp. Dann aber habe sie von der Versteiger­ung gelesen. „Und da das Geld für einen richtig guten Zweck bestimmt ist, habe ich mitgeboten“, sagt sie.

Zuletzt sei sie Anfang Dezember bei Kisin im Salon gewesen. In der Nacht zu Montag hat sie aus Zeitgründe­n aber zunächt nur die Spitzen geschnitte­n bekommen. „Für Strähnchen und alles andere kommt sie in den nächsten Tagen wieder“, sagt Kisin, die den Betrag von 500 Euro verdoppeln möchte, der an die Kindernoth­ilfe gespendet wird.

Und war der Haarschnit­t 500 Euro wert? „Normalerwe­ise gebe ich nicht so viel Geld für den Friseur aus, aber heute sehr gerne. Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt“, so Philipp.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Friseurin Sadiye Kisin vom Salon „Haarscharf“in Duisburg-Buchholz schneidet der SPD-Landtagspo­litikerin Sarah Philipp die Haare.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Friseurin Sadiye Kisin vom Salon „Haarscharf“in Duisburg-Buchholz schneidet der SPD-Landtagspo­litikerin Sarah Philipp die Haare.

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