Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Haarschnitt kurz nach Mitternacht
Seit Montag haben die Friseure wieder geöffnet. In einem Duisburger Salon wurden bereits ab 0 Uhr Haare geschnitten. Die erste Kundin war Sarah Philipp. Die SPD-Landtagsabgeordnete hatte den Termin für 500 Euro ersteigert. Der Erlös geht an einen guten Zweck.
Es ist 0.01 Uhr, als Sadiye Kisin endlich wieder zur Schere greifen darf. Zunächst muss die Inhaberin des Friseursalons „Haarscharf“in Duisburg-Buchholz ihrer ersten Kundin, die vor ihr Platz genommen hat, jedoch die Haare waschen. Sarah Philipp, Duisburger SPD-Landtagsabgeordnete, ist die erste, die nach dem zweiten Lockdown in der Corona-Pandemie von Kisin die Haare wieder schöngemacht bekommt. Für 500 Euro hat die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion den Termin ersteigert. Das Geld ist für einen guten Zweck bestimmt und soll der Kindernothilfe zugute kommen.
Seit Montag haben Friseure wieder geöffnet – nach langen Monaten im Lockdown und unter strengen Hygienevorschriften. Wie in Duisburg öffneten in der Nacht auch in anderen Städten einige Salons bereits um 0 Uhr – etwa in Köln und Dortmund. „Es tut wirklich gut, wieder die Dienstleistung zu erbringen, die mich und die Kunden glücklich macht: Frisuren machen, die passen“, sagte der 52-jährige Friseur Marco Trapani in seinem geöffneten Salon in Dortmund.
Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks (ZV ) wurden im Vorfeld allein in NRW mehr als 100.000 Termine zum Haareschneiden bei den rund 16.000 Friseurbetrieben im Land gemacht – viele Friseure sind im März bereits ausgebucht. Auch Kisin hat nicht mehr viele Termine frei. „Für Stammkunden halte ich noch welche zurück. Gegen Ende des Monats habe ich noch was frei, sonst wieder ab April“, sagt sie. Am 1. März war die Duisburgerin ausgebucht.
Trotz der vollen Auftragsbücher zur Wiedereröffnung geht es vielen Betrieben finanziell nicht gut. „Die zu erwartenden Einnahmen jetzt im März können die Verluste natürlich nicht ausgleichen. Man kann schließlich nur einmal Haare schneiden – und muss dann warten, bis sie wieder zu lang sind“, sagt Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. Besonders Läden in sogenannten 1a-Lagen hätten wegen hoher Mieten und Personalkosten unter der Schließung gelitten.
So hat bereits Deutschlands größte Friseurkette Klier wegen des massiven Umsatzeinbruchs Insolvenz angemeldet. Wie dramatisch die Situation vieler Friseure ist, hat auch das emotionale Instagram-Video von Bianka Bergler gezeigt, einer Friseurmeisterin aus Dortmund. In dem millionenfach angeklickten Video beschrieb sie weinend ihre persönliche und finanzielle Situation.
Als Sarah Philipp am 0.01 Uhr den Salon betritt, trägt sie vorschriftsmäßig Maske. Im Eingangsbereich desinfiziert sie sich die Hände. Die Friseurin klärt ihre Kundin über die Hygieneregeln auf. Eigentlich sei alles so wie nach dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr: Es darf nur eine begrenzte Zahl an Kunden ins Geschäft; die Hälfte der Frisierplätze ist gesperrt, damit der Mindestabstand gewahrt bleibt. Kisin hat auch noch CO2-Melder in ihrem
Geschäft angebracht, die Alarm schlagen, sobald die Luft im Raum nicht mehr gut ist. „Ich mache alles, damit meine Kunden und und mein Personal sicher vor Infektionen ist“, sagt die Friseurin.
Sarah Philipp ist Stammkundin bei „Haarscharf“. Eigentlich hätte sie erst einen Termin am 13. März gehabt. „Vor zwei Wochen hatte ich auf gut Glück angerufen, um einen Termin auszumachen. Und den 13. März habe ich dann genommen“, sagt Philipp. Dann aber habe sie von der Versteigerung gelesen. „Und da das Geld für einen richtig guten Zweck bestimmt ist, habe ich mitgeboten“, sagt sie.
Zuletzt sei sie Anfang Dezember bei Kisin im Salon gewesen. In der Nacht zu Montag hat sie aus Zeitgründen aber zunächt nur die Spitzen geschnitten bekommen. „Für Strähnchen und alles andere kommt sie in den nächsten Tagen wieder“, sagt Kisin, die den Betrag von 500 Euro verdoppeln möchte, der an die Kindernothilfe gespendet wird.
Und war der Haarschnitt 500 Euro wert? „Normalerweise gebe ich nicht so viel Geld für den Friseur aus, aber heute sehr gerne. Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt“, so Philipp.